Kempten (mun). - Noch vor zehn Jahren hielten es selbst die meisten Fachleute für unmöglich, dass in normalen Wohn- oder Bürohäusern auf eine herkömmliche Zentralheizungs-Anlage nahezu vollständig verzichtet werden kann. Doch inzwischen sind so genannte Passivhäuser mit extrem guter Dämmung und kombinierten Heiz- und Lüftungssystemen keine Vision mehr, sondern solch extrem energiesparende Bauten sind inzwischen überall zu finden - auch im Allgäu. Beispiele wurden am Mittwoch bei der Fachtagung 'Energietag' der Allgäuer Festwoche in Kempten gezeigt. 3000 Passiv-Häuser sind in den vergangenen Jahren in Deutschland gebaut worden. Und inzwischen sind es nicht mehr nur reine Wohn-, sondern auch Büro- oder kommunale Bauten. Beispiel: ein neuer Kindergarten in Lindau. 'Das Passivhaus wird der Baustandard der Zukunft sein' zeigte sich Martin Samabel, Geschäftsführer des Energie- und Umweltzentrums Allgäu (Eza), überzeugt. Eza war auch heuer Ausrichter des Energietags. Angesichts sich häufender Klima-Extremereignisse hatte eingangs Kemptens Oberbürgermeister Dr. Ulrich Netzer auf die Notwendigkeit von energiesparenden Technologien hingewiesen. Wie viel Energie durch Passivhäuser eingespart werden kann, verdeutlichte Sambale an einem Beispiel: Während für den Gesamt-Bestand an Wohngebäuden in Deutschland der Heizenergie-Bedarf im Durchschnitt bei (umgerechnet) 25 Liter pro Jahr und Quadratmeter Wohnfläche liegt, sind es bei einem Gebäude mit Passivhaus-Standard gerade einmal 1,5 Liter pro Quadratmeter. Allerdings machen gut gedämmte Passivhäuser, die in vorbildlicher Weise auch die Sonnenenergie nutzen, nicht überall Sinn. Anhand eines Beispiels zeigte Architekt Johannes May aus Bad Wörishofen auf, wie Planer, Architekten und Kommunalpolitiker schon bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes den Sonnenstand im Verlauf des Jahres berücksichtigen müssen. Je nachdem, wie die Grundstücke bebaut werden, kann die Sonne optimal für die Wohnraumheizung genutzt werden.
Schattenwurf zeigt Computer Sichtbar wird der Gang des Sonnenlichts für einen ganzen, am Computer sichtbaren Bebauungsplan in so genannten 'Verschattungsanalysen'. Gezeigt wird dabei der jeweilige Grad des Schattenwurfs von Nachbar-Bebauungen, Bäumen und Höhenrücken im Umfeld der geplanten Wohnhäuser. Sinn macht der Bau von Passivhäusern nur dort, wo die Sonnenengerie auch gut genuzt werden kann, so May. Das Architektenbüro May/Schurr aus Bad Wörishofen hatte eine Verschattungsanalyse für ein geplantes Wohngebiet in Koblen erstellt. Dort soll mit 170 Einheiten die größte Passivhaus-Wohnsiedlung Europas entstehen. Mays Kollege Jochen Schurr zeigte Beispiele von Passivhäusern im Allgäu auf. Sein Fazit: Die Baukosten für energiesparende Bauten sind kaum höher, wenn 'intelligent' geplant wird. Die Heizkosten in einem Passivhaus sind dank geringeren Energieverbrauchs aber deutlich geringer.