Früher war alles besser. Diese Aussage würde Dr. Thomas Weidlich so zwar nicht unterschreiben; nichtsdestotrotz habe sich die Einstellung zur Arbeit in den vergangenen 30 Jahren stark gewandelt. "Wir haben gearbeitet, die Leute heute wollen leben", sagt der 59-Jährige. "Dieser andere Lebensstil muss aber nicht schlechter sein", fügt er hinzu. Im Jahre 1979 hat sich der Allgemeinmediziner in Erkheim niedergelassen. Mit Blick auf seinen Ruhestand in ein paar Jahren scheint die Zukunft seiner Praxis und Patienten gesichert: Seine 30-jährige Tochter wird voraussichtlich in die Fußstapfen ihres Vaters treten. Aber Weidlich weiß: Es geht nicht allen Unterallgäuer Kollegen so.
Einer von diesen ist Dr. Dieter Morbach aus Sontheim. Er hat bisher keinen Nachfolger in Aussicht. Allerdings sei der Druck momentan auch noch nicht so groß, sagt der 62-Jährige. Morbach rechnet damit, dass es zwei, drei Jahre brauchen wird, bis jemand gefunden ist. "Damit die Patienten mittel- und langfristig versorgt sind, muss man sich aber rechtzeitig umschauen", sagt er.
Langsamer Rückzug erwünscht
Hätte er die Wahl, würde sich Morbach einen "kontinuierlichen Übergang" wünschen. Er möchte nicht von Jetzt auf Gleich aufhören müssen - "das wäre schlimm für mich", sagt er. Er stellt sich eine Arbeitsteilung über zwei oder drei Jahre vor, bei der er sich "langsam zurückziehen" könnte.
Junge Mediziner wollen vor allem in die Städte, sagt Weidlich. Ein Eindruck, den Morbach nur bestätigen kann. Ein junger Kollege hatte bereits Interesse signalisiert, sei dann aber wieder abgesprungen. Ihn habe das "flache Land" abgeschreckt, so Morbach. Dabei übersehen die Jungen seiner Meinung nach die gute Infrastruktur - die direkte Anbindung an die Autobahn. Hinzukomme eine Menge an Arbeit und Wochenenddiensten, die sich in städtischen Gemeinschaftspraxen auf mehrere Schultern verteilt, sowie das finanzielle Argument: Allgemeinmediziner stehen eher am Ende der Einkommenspyramide der Ärzte, so Weidlich.
Als er damals vor rund 30 Jahren beschlossen hatte, sein "eigener Herr" zu werden und nach Praxisräumen suchte, habe es neben ihm noch weitere Bewerber gegeben. Er habe sogar eine Ablösesumme zahlen müssen - ob es die heute noch gibt, bezweifelt er.
Ein Patentrezept für den Landarztschwund hat Weidlich nicht parat. "Ein Weg wird sicher übers Geld gehen", glaubt er. Zudem müsse man irgendwie versuchen, ein Umdenken bei den jungen Ärzten zu bewirken.