"Ich bin am Boden zerstört", sagt Walter Bachler, der Wirt des Memminger Lokals Hoigata. "Der letzte Samstag war ein Trauertag." Der Grund: Das Ordnungsamt der Stadt Memmingen hatte ihn aufgefordert, seine seit August letzten Jahres erfolgreich aufgebaute Livemusikreihe "Fresh Allgäu Jazz" wegen der "unzumutbaren und ungesetzlichen Lärmbelästigung" mit sofortiger Wirkung einzustellen. Eine Reihe, in der jeden Samstag von 10.30 bis 14 Uhr hervorragende Jazzmusiker die Gäste unterhielten, im Winter drinnen, im Sommer im kleinen Biergarten hinter dem Haus. Diesmal musste er die Fans, die wie immer aus dem ganzen Allgäu angereist waren (einer sogar aus der Schweiz), wieder heimschicken.
Seither versteht Bachler die Bürokratie-Welt nicht mehr. "Es hat sich wohl jemand nach unserer ersten Veranstaltung draußen bei der Stadt beschwert", sagt er - und fragt sich jetzt: "Steht denn das Ruherecht eines Einzelnen über dem von Hunderten begeisterten Zuhörern?" Zusammen mit dem bekannten Allgäuer Jazzer Tiny Schmauch hatte Bachler die Live-Jamms organisiert. Der sorgte dafür, dass die Qualität des Programms stimmte. Und hatte nicht unbedingt damit gerechnet, dass Jazz zu dieser ungewöhnlichen Tageszeit so einschlägt. "Etwas Vergleichbares gibt es im weiten Umkreis nicht", schwärmt er. "Das war auch für die Musiker ein tolles Forum, die sicher nicht nur wegen der kleinen Gage gekommen sind." Klein war die auch deshalb, weil Bachler keinen Eintritt verlangte. Dafür kümmerte er sich umso herzlicher um seine Musiker.
Gekümmert hatte er sich allerdings nie um eine offizielle Genehmigung für die Konzerte. "Ich hatte nur mal mit dem Kulturamt gesprochen und dachte, das ist damit gegessen", gibt er zu. Dass das zu wenig war, hat er jetzt schwarz auf weiß vom Ordnungs- und Gewerbeamt. Nur zwölf Mal im Jahr dürfte er in seiner "Schank- und Speisewirtschaft" nach dem geltenden bayerischen Gaststättengesetz und dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz Livemusik veranstalten - nach vorheriger Anmeldung. Das sei aber zu wenig, um das Publikum zu halten, ist Bachler sicher.
Er könnte aber auch einen Antrag stellen, das Wirtshaus in eine "Vergnügungsstätte" umzuändern, dann wären die wöchentlichen Veranstaltungen - zumindest drinnen - kein Problem. Das rät ihm zum Beispiel Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger. "Wir wussten bisher nichts von den Jazzkonzerten", sagt Holzinger. "Aber wir wollen sie auf jeden Fall erhalten. Herr Bachler muss nur den richtigen Antrag stellen." Etwa vier Wochen dauere das Genehmigungsverfahren, meint dazu Referatsleiter Thomas Schuhmaier.
"Bürokratie verhindert Kunst"
Das wird Bachler aber nicht anstreben. Nicht nur, weil er tief enttäuscht ist von den bürokratischen Hürden, die seiner Ansicht nach "über die Freiheit der Kunst" gestellt werden. "Ich könnte das als Kleinstunternehmer finanziell gar nicht tragen", hat er sich ausgerechnet.
Denn vermutlich seien mit der Genehmigung auch Umbauten verbunden und dafür werfe das kleine Lokal in ungünstiger Randlage nicht genug ab. Auch fürchtet er, dass es weiter Ärger mit Anwohnern gebe.
Deshalb hat er sich "schweren Herzens" entschlossen, im Hoigata ganz aufzuhören. "Meine ganze Philosophie und Geschäftsstrategie war auf den Jazz aufgebaut", sagt der Gastronom. "Dass das in einer Stadt, die sich als Kulturstadt preist, nicht unterstützt wird, tut weh."
Das Ende Für heute, Samstag, 8. Mai, hat die Stadt in Rahmen von "Memmingen blüht" kurzfristig die Genehmigung erteilt, eine Jazz-Veranstaltung im Hoigata durchzuführen. Von 10.30 bis 14 Uhr spielen Tiny Schmauch (Kontrabass) und der rumänische Gitarrist Liviu Jean Manciu den letzten "Fresh Allgäu Jazz".