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Das Dach des Weisheitstempel s leckt

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Das Dach des Weisheitstempel s leckt

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    Wolken setzen den Kontrapunkt zu den Zauberflöten-Tönen bei der Nebelhorn-Serenade Von Peter Schwarz Oberstdorf Das bleigraue Wolkengebirge überm Oberstdorfer Hausberg schrieb bei der mittlerweile achten Nebelhorn-Serenade - Aufführungen auf erdkundlich höchstem Niveau - seine eigene kontrapunktische Partitur. Wie im alten Rom hatte sich den ganzen Nachmittag Musiksommer-Leiter Professor Peter Buck gefühlt. Die jähen Luft-Verwirbelungen ließen ihn, wie einst bei Nero, mal den Daumen nach unten senken, mal nach oben richten. Kann die Opera Concertante mit den Bläsern des Bayerischen Staatstheaters am Gärtnerplatz und mit dem Bass-Buffo Fritz Graas als Moderator überhaupt stattfinden?Decken zum Einmummeln Es ging, und es wurde trotz Wind, Wolken und Regentropfen ein wunderbarer Abend auf 2000 Meter Höhe. Vorsorglich hatte man dem Publikum, darunter auch Regierungspräsident Ludwig Schmid, dunkelblaue und kamelhaar-farbene Wolldecken zum Einmummeln auf die Sitze gelegt. Und den mit wehenden Frackschößen zum Podest eilenden Klarinettisten, Oboisten, Hornisten und Fagottisten waren jede Menge Wäscheklammern als Notenblatt-Sicherung in die Taschen gesteckt worden. Der zusätzlich aufgebotene Kontrabassist Yasuhide Hirose starrte mit Bangen um sein bauchiges Instrument zum Firmament. Und ein Frösteln erfasste ihn beim Anblick der im Dunst verschwindenden Altschneefelder. Dann begann auch schon die feierliche Introduktion mit Mozarts Zauberflöten-Ouvertüre. Keine Tenor-Stimme oder Sopran-Koloratur echote von den Gipfeln. Die Open-Air-Opera mit Auszügen aus Mozarts letztem Bühnenwerk und Otto Nicolais Lustigen Weibern von Windsor, einst ein romatischer Gassenhauer, fiel rein instrumental aus. Derartige Arrangements stammen keineswegs aus heutiger Zeit.

    Sondern sie unterhielten als so genannte Harmonie-Musiken im 18. Jahrhundert schon Kaiser Joseph II. und dienten damals zudem der Melodien-Verbreitung beim einfachen Volk. Das Ensemble schien sein natürliches Zuhause, den Orchestergraben oder den Konzertsaal, anfänglich etwas zu vermissen. Doch Improvisationskunst und Flexibilität sowie die applaudierende Aufmunterung durch die Zuhörerschaft schufen an der windigen Aufführungsstätte der Bergbahn-Station eine elektrisierende Atmosphäre, wo Natur und Kunst miteinander wetteiferten. Dies Bildnis ist bezaubernd schön: Taminos Glanz-Arie, intonierte das trotz aller Widrigkeiten bestens aufgelegte und zart phrasierende Oktett. Prompt wärmte die hervorspitzende Abendsonne den alpinen Freiluft-Konzertsaal. Der Kammersänger als Notenhalter Nicht ganz konnte die Zauberflöte, die sonst wirksam wilde Bühnentiere zu zähmen versteht, den drohenden Wolken Paroli bieten. Auch nicht, als sich Papagenos Zauberglöckchen an den Hälsen des Weideviehs von den grünen Nebelhorn-Grasmatten beigesellte. In diesen heiligen Hallen des Weisheitstempels Sarastros leckte dennoch das Dach, worauf die Konzertierenden in die Pause flohen. Bei der Wiederkehr übernahm Fritz Graas, der mit viel Witz und großem Charme die Opern-Inhalte plastisch machte, zusammen mit den Musiksommer-Organisatoren noch eine weitere Aufgabe. Der Herr Kammersänger wurde zum Notenblatthalter. Und siehe da - angespornt von Nicolais beflügeltem und launigem Melodienreichtum feierte die Heiterkeit des Ensembles Triumphe. Da huschte spätestens bei der Zugabe Summertime aus Gershwins Porgy and Bess ein Lächeln über die windzerzauste finstere Miene von Kontrabassist Hirose.

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