Fabelwesen und erfrischende Realität Von Christoph Pfister Sonthofen 'Das blaue Einhorn' - welch geheimnisvoller Name für eine Band. Spricht für Kunstsinn, wenn man das Symbol für das Gute, das edelste aller Fabelwesen zum Namen nimmt. Das Quartett aus Dresden machte auf der Kulturwerkstatt-Bühne seinem Namen ordentlich Ehre mit brillantem musikalischem Fabulieren aus weiten und fremden Welten.
Die Aura 'Blau', sie schwebt über dem viel-schichtigen Programm von jiddischer Tradition bis portugiesischer Folklore. Keineswegs die Weltmusik der Weitdenker oder Möchtegern-Kosmopoliten mit musikalische Stippvisite im Jet-Tempo um den Globus. Das 1991 gegründete Profi-Ensemble geht subtil wie sorgfältig auf Spurensuche. Ehrliche Musikanten spielen da auf, was ab und an Biederkeit, aber nie Langeweile bedeutet. Virtuosentum, das ohne Aufgeregtheit begeistert, musikalischer Spaß frei von Banalität. Wenn Paul Hoorn gleichzeitig Trompete bläst und sein Akkordeon bedient, oder Dietrich Zöllner die Bauchgeige spielt, gerät das beim 'blauen Einhorn' nicht zur Zirkusnummer.
Alles, was zu einem authentischen Tango, zum gefühlsseligen Romalied oder einer slawisch-melancholischen Ballade an Gestaltungsmitteln gebraucht wird, kommt aus Herz und Hand, wirkungsvolle Perkussion durch Bogensprünge, Corpus-Klopfen oder Schnalzgeräusche inklusive.
Man fühlt sich glaubhaft in fremde Welten mitgenommen, spürt die Exotik und weiß, dass hier nicht um Effekthascherei oder pure Publikumsgunst Klänge aus anderen Kulturen spannend beleuchtet werden. Die anregende Anmischung kommt aus dem geschickten, akustischen Einsatz eines eher zarten Instru-mentariums und nicht unwesentlich von der charismatischen Erzählstimme, dramatischen, dann wieder lyrischen Beiträgen von Paul Hoorn. Florian Mayer weiß die höchst vielfältigen Charakteristika einer Geige wunderbar bunt einzuspielen, als pomadiger Stehgeiger, lustiger Tanzfiedler, dramaturgischer Mitgestalter. Rhythmische Struktur im Wechsel mit Melodiestimme zaubert Andreas Zöllner souverän aus seinen Gitarrensaiten, während Dietrich Zöllner vom Kontrabass aus, sonore Fülle in die komplex verwobenen, dabei luftigen Tongeflechte fügt.
Spieltechnische Erhabenheit und die offen-sichtliche geistige Auseinandersetzung mit dem Liedgut verschaffen Dauergenuss, über-zeugen auch, oder gerade dann, wenn die Klangfarben und Inhalte richtig fremd werden.
Eine Band mit wunderbarem Eigensinn, die seriös und sorgsam, doch mit Spielwitz und Bühnenpräsenz die Liebeslieder der Welt an-stimmt. Die Frohen und die Traurigen. 'Welt-musik' einmal ganz anders, gut und blau, mit Fabelwesen und erfrischender Realität.