Golden Delicious, Pink Lady oder vielleicht auch mal ein Braeburn – das ist es dann meist schon. Bei einem Blick in die Obstregale durchschnittlicher Supermärkte springt den Verbraucher meist nicht eine überbordende Sortenvielfalt an. Wer kennt heute noch den Huegelsharter Gravensteiner, den Pfarrlinger oder den Pfaffenhofer Schmelzling? All dies sind typische Apfelsorten aus dem Allgäu, mit einer teils jahrhundertelangen Tradition in der Region. Nur werden diese und andere alte Sorten kaum mehr angebaut, ist ihr Bestand oft akut bedroht.
'Bedauerlich' nennt Hans-Thomas Bosch die Sortenarmut. Der Diplom-Ingenieur und Obstsortenkundler von der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau ist seit drei Jahren beruflich im Allgäu unterwegs und kartiert Obstbäume für das Projekt 'Erhalt und Nutzung alter Kernobstsorten in der Region Allgäu'. Bislang hat Bosch knapp 3000 Apfel- und Birnbäume erfasst und bei der Untersuchung dreizehn regionaltypische (nur im Allgäu verbreitet oder hier häufig anzutreffen) Apfel- beziehungsweise zehn Birnensorten ausgemacht.
Der Verlust an Sorten-Vielfalt ist jedoch kein Phänomen, das allein Äpfel oder Birnen betrifft. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen schätzt den Verlust an Kulturpflanzen-Vielfalt seit dem Jahr 1900 auf über 75 Prozent. Ab diesem Zeitpunkt begannen sich Märkte für Saatgut zu entwickeln. Als Hoffnung für alte Sorten wurde daher in der vergangenen Woche allgemein ein Urteil des Europäischen Gerichtshof aufgenommen, wonach Bauern alte Gemüse- und Kartoffelsorten auch dann noch anbauen dürfen, wenn industrielle Hersteller sie nicht mehr anbieten.
Erfahrung mit einer sehr alten Getreidesorte hat beispielsweise der Bio-Landwirt Horst Küchle aus Buxheim (Unterallgäu). Er baut das Waldstaudenkorn an, das als Urrogen gilt und bereits vor rund 7000 Jahren angesät wurde. 'Das ist eine robuste, alte Sorte, die wenig Pflege braucht und genügsam ist', sagt Küchle. Er empfindet die Pflanze als 'wertvoller als die hochgezüchteten Sorten'. Zudem sei das Getreide – das sich gut zum Brotbacken eignet – bei den Kunden gefragt.
Zurück zu Hans-Thomas Bosch und seinen Äpfeln und Birnen. Der Obstexperte wird noch bis zum nächsten Jahr nach alten Bäumen forschen. Ziel der Kartierung ist, die alten Sorten – mit ihrem Genpool – zu erhalten. Weil sie oft anpassungsfähiger, frostsicherer, widerstandsfähiger gegen Feuerbrand und 'landschaftsprägend für das Allgäu' sind, sagt Bosch.
Nach Ende des Projekts soll in der Versuchsstation für Obstbau Schlachters (Kreis Lindau) ein Sortengarten mit je 84 Apfel- und Birnensorten entstehen.
Aufmerksam machen
Wer wissen will, wie die alten Apfel- und Birnensorten aussehen, kann zum Beispiel entlang von Streuobstwiesen am Bodensee wandern oder das Bauernhofmuseum in Illerbeuren besuchen. Entlang der Wege zwischen den alten Bauernhäusern stehen Obstbäume von 80 bis 90 alten Sorten; zudem gibt es alte Getreidesorten. 'Wir möchten aufmerksam machen auf die Vielfalt, die die Natur bereithält', sagt Museumsleiter Dr. Otto Kettemann.