Als Charlotte Knobloch in den Morgenstunden des 5. Septembers 1972 die Nachricht vom Überfall auf das israelische Olympiateam im Radio hörte, war es für sie ein doppelter Schock: 'Weil meine Tochter damals als Hostess auf dem Gelände gearbeitet hat', erzählt die inzwischen 80-Jährige. Stundenlang habe sie nichts von ihr gehört, bis ihr Kind abends endlich nach Hause kam.
'Unter den Mitarbeitern machten verschiedene Gräuelgeschichten die Runde – aber sie wussten lediglich, dass die Spiele unterbrochen waren.' Über das Olympia-Attentat und andere Themen, die sie bewegen, spricht Knobloch an diesem Mittag im Museum der Erdinger Arena mit gut 65 Schülern des Oberstdorfer Gertrud-von-le-Fort-Gymnasiums und des Sportinternats.
Sie lauschen aufmerksam ihren Worten und stellen Fragen. 'Wie war das damals aus Ihrer Sicht?', will Robert wissen. 36 Jahre nachdem die Nazis Olympia benutzt hätten, um die Welt zu blenden, sollten 1972 die bunten und fröhlichen Spiele werden – 'und das waren sie auch', meint Knobloch.
Bis Tag zehn alles verändert habe: 'Das war nicht nur für die Zeitgenossen die erste tief greifende Erfahrung der realen tödlichen Bedrohung, die dieser Terror für die gesamte freie Welt war.' Die Bilder aus München hätten sich tief eingebrannt in das kollektive Gedächtnis.
Das Attentat sei aber nicht nur ein Anschlag auf Israel gewesen, sondern auf alle – die Olympische Idee und die Vision von Frieden und Freiheit für alle Menschen, betont Knobloch. Terroristen könnten das Prinzip 'Leben und leben lassen' nicht akzeptieren und seien dafür sogar bereit, 'ihr eigenes Leben zu opfern, um uns für das unsere zu bestrafen'.
Richtig, die Spiele fortzusetzen
'Fanden Sie es dennoch richtig, die Spiele 1972 fortzusetzen?', fragt Lukas. 'Damals hätte ich aus der Aufregung heraus ,Nein, um Gottes willen' gesagt, heute gebe ich dem Olympischen Komitee zu seiner Entscheidung recht', antwortet die 80-Jährige.
Zumal die Sportler jahrelang für ihre Wettkämpfe hart trainiert hätten und sonst die Terroristen mit ihrem Vorgehen Erfolg gehabt hätten. 'Wie haben Sie als Kind die NS-Zeit erlebt?', wollte Johanna wissen. 'Was es heißt, Jude zu sein, habe ich mit vier Jahren erfahren, als ich an der verschlossenen Gittertüre eines Hauses stand', erinnert sich Knobloch.
Dort habe ihr die Hausmeisterin gesagt, dass sie nun nicht mehr mit den Kindern spielen dürfe, mit denen sie das fast täglich getan hatte. Bis dahin habe sie gedacht, dass alle Menschen jüdisch seien. So blieb ihr nichts anderes übrig, als beim Spazierengehen mit ihrer Großmutter sehnsüchtig den Kindern beim Spielen zuzuschauen.
'Dann hat mir die Gestapo auch noch meine Klavierlehrerin weggenommen.' Und in der Reichspogromnacht habe sie endgültig ihre vertraute Heimat verloren. Am Ende ihres Vortrags äußert die 80-Jährige noch einen Wunsch: 'Ich fände es fantastisch, wenn Deutschland bald wieder die Olympischen Spiele austrägt.'