Die Meinungen gehen sogar innerhalb der Familie Köroglu weit auseinander. So spricht Burak Köroglu (23) vom "größten Fehler", den sein jüngerer Bruder Berkan (19) machen konnte, als dieser im Juli zu Türkiyemspor Mindelheim wechselte. Der sieht das Abenteuer Kreisklasse jedoch als "Chance auf einen Neuanfang". Dabei stand er bereits an der Schwelle zum Profifußball.
Mit 14 Jahren zieht Berkan Köroglu aus, um Fußballprofi zu werden. Der C-Jugendspieler des TSV Mindelheim hat ein Probetraining beim TSV 1860 München - und überzeugt die Löwen. Nach einem Jahr wechselt Köroglu zum FC Augsburg, steigt mit dessen U 16 in die Bundesliga auf.
Nach zwölf Toren in der Hinrunde der U 17 werden die Bundesligaklubs auf ihn aufmerksam: "Ich hatte Anfragen von 1860 München, dem 1. FC Nürnberg, Greuther Fürth, Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart", sagt Köroglu. Entschieden hat er sich dann für den MSV Duisburg. "Ich wollte früh auf eigenen Beinen stehen, eine eigene Wohnung haben und einfach weiter weg sein von zu Hause." Und er wollte endlich sesshaft werden, sich in Duisburg etwas langfristig aufbauen. Nach zwei Jahren war dieser Plan schon wieder gescheitert.
Der Traum vom Fußballprofi bleibt jedoch. Köroglus dritte Station ist die SpVgg Unterhaching - es sollte die bisher letzte für ihn sein im hochklassigen Fußball. Denn seit Juli ist er nun beim Mindelheimer Kreisklassisten Türkiyemspor. Und das, obwohl ihm sämtliche Türen zum Profitum offen standen.
Nach den Gründen gefragt, warum es nicht ganz geklappt hat, zählt Berkan Köroglu eine Liste an Verletzungen auf: Im Trikot der 1860-C-Junioren reißen gleich im ersten Spiel gegen den FC Augsburg die Bänder im Knöchel. Im zweiten Jahr beim MSV Duisburg, als er schon mit den Profis mittrainieren durfte, bricht er sich zweimal hintereinander denselben Mittelfußknochen. In Unterhaching müssen schließlich wieder die Bänder dran glauben - ausgerechnet an seinem Geburtstag im vergangenen November.
"Da war klar, dass ich jetzt erst einmal eine Lehrstelle brauche und mich auf die Arbeit konzentrieren muss", sagt Köroglu, der nun beim V-Markt in Bad Wörishofen seinen Einzelhandelskaufmann macht.
In der Sommerpause gab es Kontakt zum Regionalligisten FC Memmingen. Warum nicht mehr daraus geworden ist, darüber schweigen Köroglu und auch der FCM: "Es hat nicht gepasst", lautet die übereinstimmende Erklärung.
Bei Türkiyemspor Mindelheim hat man Köroglu mit offenen Armen empfangen. "Er ist ein unglaublicher Spieler. Der macht Sachen, da kannst du nur staunen", schwärmte Vereinsvorsitzender Ahmet Coskun schon kurz nach Köroglus Verpflichtung. Er habe schon einige Angebote von Landesligisten für Köroglu bekommen, doch hergeben will er ihn nicht. Noch nicht.
Immerhin hat der Verein Köroglu als Vertragsamateur an sich gebunden - bei einem Wechsel wäre also eine Ablöse fällig. "Das habe ich dem Verein zuliebe gemacht", sagt Köroglu. Dass eine Ablöse seiner weiteren Karriere hinderlich sein könnte, glaubt er nicht.
Von einem sportlichen "Abstieg" will Köroglu nichts hören. Bei Türkiyemspor will er "mit Freunden zusammenspielen und Selbstbewusstsein tanken". 30 Tore hat er sich zum Ziel gesetzt und natürlich den Aufstieg. Köroglu, der mit seiner Freundin Olga bald ein Kind erwartet, gibt zu, dass er "jetzt nicht mehr knallhart auf eine Profikarriere zusteuern" werde. "Wenn es sich ergibt, dann ist es okay, wenn nicht, dann hat es eben nicht sein sollen."