Abgeordneter aus Wilhams ging mit diesem Ehrentitel in die Geschichte ein In Weitnau begraben Weitnau (is). 'Gutsbesitzer, auch Landtagsabgeordneter' gibt der eindrucksvolle Grabstein als Beruf des hier Bestatteten an. Aber damit ist dessen Bedeutung noch lange nicht ausreichend charakterisiert. Einer der wichtigsten Ehrentitel, die man Carl Hirnbein (1807 1871) aus Wilhams gab, war 'Notwender'. Denn seine Verdienste um den Wirtschaftsaufschwung des Allgäus im 19. Jahrhundert sind groß. Seine letzte Ruhe gefunden hat dieser Pionier übrigens in Weitnau, wo jüngst der 'Carl-Hirnbein-Gedächtnisweg' begonnen worden ist.
Diese ökologische und landwirtschaftlich-kulturhistorische Wanderroute von Weitnau bis vorerst Missen-Wilhams wird den Wandel vom 'blauen' zum 'grünen' Allgäu aufzeigen, von Flachsanbau zur Milch- und Käsewirtschaft. In Hirnbeins Jugend hatte die Erfindung des mechanischen Webstuhls die Allgäuer Bauern, die vor allem von der Leinenweberei lebten, in bittere Armut gestürzt. Der Bürgermeisterssohn aus Wilhams kam auf die Idee, sie müssten sich voll der Milchwirtschaft zuwenden, um ihre Existenz zu sichern. So führte er im Allgäu die Weichkäserei (Limburger und Romadur) ein und schuf auch Absatzmärkte. Durch den Ausbau der Bewässerungs- und Güllewirtschaft und eine Verbesserung der Bodenqualität durch neue Düngemittel konnten Futtererträge und Viehbestände erheblich gesteigert werden. Käse wurde zu einer Handelsware in größtem Maßstab, durch die das Allgäu wieder zu Wohlstand gelangte. Mit dem Bau des Grüntenhauses 1852 die damals einzige Unterkunftsmöglichkeit in den Allgäuer Bergen wurde der Wilhamser auch zu einem Schrittmacher des Fremdenverkehrs.
Literarisches Denkmal
Carl Hirnbein gilt neben Johann Althaus, der den Emmentaler ins Allgäu brachte, als wohl größter Pionier der Allgäuer Milchwirtschaft im vorigen Jahrhundert. Er erwarb von vielen beneidet ein großes Vermögen und einen ausgedehnten Grundbesitz (fast der ganze Grünten gehörte ihm), stellte seine Fähigkeiten und seinen Besitz aber auch in den Dienst der Allgemeinheit. Der Anhänger der republikanischen Bewegung von 1848/49 war als maßgeblicher Berater und Verfechter des politischen Lebens im Allgäu bekannt und trat in- und außerhalb des bayerischen Landtags, dem er bis 1863 eine Legislaturperiode angehörte, für die Rechte des Volkes ein. Peter Dörfler setzte ihm, der eine vollständige Erstausgabe der Werke von Goethe besaß und sich von ihnen inspirieren ließ, in seiner 'Allgäu-Trilogie' ein literarisches Denkmal.
Zu Weitnau hatte Hirnbein schon früh Beziehungen. Hier hatte ihm Großvater Carl Eldracher sein Gut geschenkt, und 1859 erwarb der Enkel auch Brauerei und Adlerwirtschaft. Seine letzten eineinhalb Lebensjahre verbrachte Carl Hirnbein in Weitnau, wo er 1871 starb und auf dem Friedhof bestattet wurde.
Die Nachfahren leben heute noch in diesem Ort. Ururenkel Dr.-Ing. Horst Kollmann weiß voneinem besonderen Wesenszug seines Vorfahren: 'Wenn Carl Hirnbein von der Richtigkeit seines Handelns überzeugt war, ließ er sich nicht von Gegenströmungen irritieren. Mit anderen Worten: Er war das Gegenteil eines Populisten und damit sicherlich auch in diesem Bezug heute aktuell.'