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Bumm, bumm, bumm - wir fahren rum

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Bumm, bumm, bumm - wir fahren rum

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    Von Tobias Schuhwerk, Füssen - Jeder kennt sie, weil sie nicht zu überhören sind. An manchen Tagen treffen sich in Füssen ein gutes Dutzend junge Leute, um mit aufgemotzten Autos und dröhnendem Sound durch die Stadt zu fahren. Sie nennen es 'cruisen'. Der AZ gewährten zwei von ihnen einen Einblick in das Reich hinter abgedunkelten Scheiben. Das Wichtigste steht immer am Anfang. In diesem Fall wird es definiert von Jan Tippmann. 'Das Wichtigste? Okay. Also: Felgen, Spoiler, Auspuff, Anlage.' Spätestens jetzt dürfte jedem Leser klar sein, dass es hier um essenzielle Dinge geht: Autos. Heiligtümer im Leben von Jan Tippmann (23) und Marcus Frey (21) aus Pfronten. Stundenlang werkeln der Kfz-Mechaniker und der Industriekaufmann an ihren tiefergelegten Opels (Modell: Calibra bzw. Tigra). Paragraph eins ihres Hobbys: 'Autopflegen ist wie Hausbauen - man wird nie fertig.' Regel Nummer zwei: 'Auto ist nicht gleich Auto.' Marcus Frey schiebt eine Begründung hinterher: 'Schau dir zum Beispiel den Wagen da vorne an.' Er deutet auf einen abgestellten, mausgrauen VW-Passat. 'Sorry, aber für mich ist das nur Schrott.' Vergleich gefällig? Jan Tippmann öffnet stolz die Tür seines Calibra, Baujahr \'92. 'Sicher gibt es noch bessere Autos.

    Aber das hier ist doch nicht schlecht, oder?' In der Tat, die Innenausstattung ist verblüffend: Sportlenker, Schalensitze, Fußbodenmatte aus Aluminium, Hosenträgergurte, ach so, ja und die Anlage im Kofferraum: Leistungsstärke fast 1000 Watt. Reicht aus für die Beschallung einer Großdisco samt angrenzendem Wohngebiet. 'Ist Pflicht', grinst Tippmann und dreht den Lautstärkeregler nach rechts. Er hat extra eine CD der deutschen Hip-Hop-Gruppe 'Massive Töne' eingelegt. Der Song heißt 'Cruisen' und hat es in den Charts ganz weit nach oben gebracht. 'Da steckt alles drin, was du über uns wissen musst', erklärt Tippmann und dreht den Lautstärkeregler bis zum Anschlag, damit dem Beifahrer der Refrain nicht entgeht: 'Wir sind die Coolsten wenn wir cruisen / wenn wir durch die City düsen / wir sind die Coolsten wenn die süßen / Mädchen uns mit Küsschen grüßen.' 'Cruisen' stammt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie 'kreuzen', im erweiterten Sinn auch herumfahren. Also das, was Jan Tippmann, Marcus Frey und Co. am liebsten machen. Es gibt Tage, da umrunden sie die Füssener Altstadt so häufig wie Formel-1-Fahrer den Hockenheimring. 50 Kilometer kommen da schnell zusammen. Wobei es ein bisschen ruhiger geworden ist, seit der Szene ein schier übermächtiger Gegner zu schaffen macht. Er nennt sich Spritpreis und lauert an jeder Zapfsäule. 'Alles viel zu teuer geworden', schimpfen Tillmann und Frey, 'Man muss sich ständig einschränken.' Auch beim Sound. Vor kurzem rief ein Anwohner in Pfronten die Polizei, weil die Musik in den Autos auf dem Parkplatz vor seinem Haus, das Wohnzimmer vibrieren ließ. Akustische Körperverletzung sei das. Tillmann lächelt darüber: 'Lauter Sound gehört dazu. Das ist für uns Entspannung. Freiheit.' Darüber hinaus biete eine voll aufgedrehte 1000-Watt-Anlage einen angenehmen Nebeneffekt: 'Die Leute erkennen einen auf 200 Meter Entfernung.' Stimmt!

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