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Bitteres Ende nach 167 Jahren

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Bitteres Ende nach 167 Jahren

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    Kaufbeuren (lö). - In der Wirtschaftsgeschichte der alten Weberstadt Kaufbeuren spielte die 'Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei' eine herausragende Rolle, und über weite Strecken war es eine echte Erfolgsgeschichte. Erst im vergangenen Jahr musste die Momm Gmb H nach 167 Jahren Firmentraditon die Pforten dicht machen. Thomas Pfundner fasst die Geschichte des Unternehmens im dritten Band der 'Kaufbeurer Stadtgeschichte' zusammen. 140 Webermeister und 106 Gesellen gab es 1825 in Kaufbeuren, aber nur wenige standen noch in Lohn und Brot. Baumwolle, billiger als Leinen, hatte ihren Siegeszug angetreten, und mechanische Webstühle und Spinnmaschinen machten Handarbeit völlig unrentabel. Ein Konsortium Kaufbeurer Kaufleute plante angesichts der Not der Weber die Umstrukturierung der heimischen Textilwirtschaft. 1836 traf Christoph Friedrich Heinzelmann die Vorbereitungen zu einer Aktiengesellschaft, drei Jahre später wurde das Unternehmen gegründet. Noch im selben Jahr entstand das Fabrikgebäude. Das Unternehmen hatte einen glänzenden Start, nicht zuletzt wegen der kapitalstarken Gründerfamilien und der zahlreichen Arbeitskräfte, die dem Markt zur Verfügung standen. Das stetig wachsende Unternehmen präsentierte sich dynamisch und innovativ, auch auf sozialer Ebene. Beispielsweise gab es einen Vertrag der Spinnerei mit der Stadt über die Versorgung erkrankter Arbeiter im Spital. 1843 wurde eine Sparkasse für Fabrikarbeiter errichtet, gut 20 Jahre später entstanden die ersten werkseigenen Wohnungen, 1871 wurde eine Fabrikkrankenkasse gegründet. Zum 50. Geburtstag 1889 beschäftigte das Unternehmen 700 Mitarbeiter. Trotz einiger Schwierigkeiten und der zeitweisen Schließung der Spinnereiabteilung überstand die Firma den Ersten Weltkrieg. Um von Baumwolle unabhängiger zu werden, befasste man sich im Unternehmen verstärkt mit der Verarbeitung von Zellwolle, einer Chemiefaser. Einer der Vorreiter war hier Theodor Momm. 1926 ging die Aktienmajorität an die Firma Theodor Momm & Co. in Amsterdam über. Infolge der günstigen Prognosen wurde 1927/28 in Kaufbeuren ein Neubau mit 153 Automatenwebstühlen in Betrieb genommen. Nach Absatzschwierigkeiten in der Zeit der Weltwirtschaftskrise verbesserte sich die Situation der Firma Momm nach der Machtergreifung der Nazis. Während des Krieges herrschte ein großer Mangel an Arbeitskräften. Im Mai 1944 musste die Weberei ihren Betrieb vollständig einstellen, die Spinnerei lief eingeschränkt. Das dunkelste Kapitel der Firmengeschichte ist dem Autor Pfundner nur einen Absatz wert: Die Arbeitskräfte, zwischen 300 und 600, wurden von einem Außenkommando des Konzentrationslagers Dachau gestellt. Nach der Währungsreform 1948 stieg die Produktion wieder stark an. Der Konkurrenz aus Asien versuchte man mit Qualität sowie Rationalisierungen und Investitionen zu begegnen. Die Stadt gab bald nicht mehr genug Arbeitskräfte her, es wurde Personal aus dem Ausland angeworben. Dagegen litt die deutsche Textilwirtschaft in den 60er Jahren an einem Schrumpfungsprozess. Auch in Kaufbeuren musste die Belegschaft verkleinert werden: Von über 1000 Beschäftigten 1958 auf 765 zehn Jahre später.

    1977 höchster Umsatz1970 wurde Momm in den Kolbermoor-Konzern eingegliedert. Investitionen zahlten sich aus, 1977 erwirtschafte Momm den höchsten Umsatz und den besten Ertrag seit der Gründung. Nach der deutschen Wiedervereinigung übernahm der Dienstleistungsunternehmer Claus Wisser die Pfersee-Kolbermoor-Textilgruppe. Später erhielt der Konzern mit den Säulen Dienstleistung und Immobilien unter dem Namen Aveco eine neue Ausrichtung. In Kaufbeuren wurde weiterhin in Produktionsanlagen investiert. 2000 trennte sich die Aveco Holding von Momm. Trotz intensiver Bemühung des neuen Besitzers Hartmut Kunstmann fehlte es letztlich an Eigenkapital. Das Ende ist bekannt: 2005 meldete Momm Insolvenz an, die verbliebenen 180 Mitarbeiter wurden entlassen.

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