Kaufbeuren (mab). - Essen ist an sich eine schöne Sache. Es gibt aber auch in unserer Region Menschen, die ein teils krankhaft gestörtes Verhältnis zur Nahrungsaufnahme haben. Mancher isst so gut wie nichts, andere wiederum essen zwanghaft viel zu viel, wieder andere müssen sich danach übergeben. In Kaufbeuren hat sich vor kurzem die Gruppe Overeater Anonymous (OA) wieder gegründet, in der sich Betroffene zusammen finden können. Wahrscheinlich hatte die 35-jährige Maria (Name und Alter von der Redaktion verändert) schon als Kind keine besondere Freude am Essen. 'Mein Vater sagte, ich sei immer weggerannt, wenn es etwas zu essen gab und ich hätte mich versteckt.' Maria ist eine der Betroffenen, die die Kaufbeurer OA-Gruppe neu mitgegründet haben. Maria isst über lange Zeiträume viel zu wenig, kann also als magersüchtig gelten. Die Ursachen für Essstörungen können im Verborgenen liegen - oder - wie bei Maria - handfeste Ursachen haben. Weil sie nämlich als Kind so wenig aß, wurde sie zur Kur geschickt - und dabei als Sechsjährige vom Heimleiter missbraucht. 'Das Ergebnis war, dass ich überhaupt nichts mehr essen, nicht mehr alles schlucken, nicht mehr leben wollte.' Sie blieb sehr mager, fing sich aber im Laufe der Jahre wieder und wog in der Pubertät dann 'eher zuviel als zuwenig. Aber ich war insgesamt sehr zurückhaltend, unsicher, hielt und halte es schlecht mit Menschen aus.' Mit 17 Jahren wurde sie schwanger von einem Mann, der wesentlich älter war als sie. 'Es war eine schwere Geburt, eine Mangelgeburt. Ich erlitt einen Penicillinschock und eine Niere hörte auf zu arbeiten. Ich wäre fast gestorben.' Maria geriet wieder in die Magersucht. 'Oft aß ich einen oder zwei Bissen und dann ging den Rest des Tages nichts mehr.' Die etwa 1,65 Meter große Frau magerte auf 46 Kilogramm ab, aber das war noch nicht das Ende ihres Leidens.
'Vor einem Jahr kam der Missbrauch, den ich als Kind erlebt hatte, wieder hoch.' Zudem wurde ihr bewusst, dass sie viel Gewalt hat einstecken müssen, vor allem von Mitschülern. Im Elternhaus habe es 'nur wenig Liebe gegeben. Mutter sprach meist nicht mir mir. Der Vater war sehr streng.' Während dieser Zeit habe sie spontan erbrochen, nicht aber nach dem Essen, wie bei einer Bulimie (siehe Wortweiser). 'Das Thema Essen beeinflusste mich massiv. Ich brach unter anderem den Kontakt zu Freundinnen ab, aus Angst, bei ihnen bei einem Besuch etwas essen zu müssen.'Sie kam in eine Allgäuer Fachklinik. Trotzdem ging es weiter bergab: 'Ich erbrach schon nach einem Glas Wasser.' Marias Gewicht sank bis auf 41 Kilogramm. Mit Hilfe der psychosomatischen Medizin schaffte sie es Anfang des Jahres langsam wieder, ihr Gewicht zu steigern - auf derzeit 44 bis 46 Kilo. Inzwischen hatte sie auch Kontakt zur OA-Gruppe aufgenommen. 'Das heißt anonyme Overeater, also Überesser.' OA-Gruppen gibt es in 172 Städten in Deutschland, wobei Maria den Namen 'Überesser' irreführend findet, da in solchen Gruppen Menschen mit Essstörungen aller Art zusammenkommen können. 'Die Treffen helfen durch den Austausch und liebevollen Umgang', so Maria. i Die Overeater Anonymous-Gruppe (OA) trifft sich dienstags von 19.30 bis 21 Uhr im Gesundheitszentrum Blaue Blume, Prinzregentenstraße 9, in Kaufbeuren. Interessierte sind herzlich eingeladen. Die Teilnahme ist anonym. Was in der Gruppe besprochen wird, darf nicht weiter gegeben werden. Weitere Infos gibt es unter den Telefonnummern (08341) 9604517 oder (0163) 7551583.