Einen eher ungewöhnlichen Pfad beschreitet der Rat der 1700-Seelen-Gemeinde Bidingen, um über ein Windrad auf einem Höhenzug zwischen den Weilern Königs- und Rudratsried zu entscheiden: Bei ihrer Sitzung am Mittwoch brachten die Räte dazu einstimmig ein Ratsbegehren (Kasten) auf den Weg. Im März sollen alle erwachsenen Bidinger dann bei einem Bürgerentscheid über die geplante Windkraftanlage befinden. Der Entscheid ersetzt einen Gemeinderatsbeschluss zu dem Thema.
Das Ungewöhnliche daran ist nicht der Bürgerentscheid auf kommunaler Ebene, sondern dessen Zustandekommen. Der Gemeinderat wurde nicht durch ein Bürgerbegehren von protestierenden Bidingern zu der Volksabstimmung gezwungen. Vielmehr führte er diese freiwillig herbei.
Landschaftsbild beeinträchtigt
Anderenfalls hätten die Gegner des Windrads - darunter der ehemalige Bürgermeister Hubert Gast, Georg Knittel und Dr. Anton Karg - aber vermutlich versucht, den beschwerlicheren Weg des Bürgerbegehrens zu gehen. Die Gegner beklagen die Nähe des Standorts zum Weiler Königsried. Außerdem sehen sie durch die gigantischen Rotorblätter der Anlage das Landschaftsbild beeinträchtigt.
Wie Bürgermeister Franz Martin nun in der Sitzung berichtete, hatten ihm Gast, Knittel und Karg den Bürgerentscheid vorgeschlagen und ihm bereits circa 140 Unterschriften dafür übergeben. Schließlich gehe es bei der Windrad-Entscheidung nicht nur darum, einen Standort zur Diskussion zu stellen. Vielmehr handle es sich um eine wichtige und große Investition für die Gemeinde und zugleich um die Grundsatzfrage darüber, ob die Gemeinde außerhalb des ausgewiesenen Vorranggebietes auf Windkraft verzichte.
Deshalb hatte Franz Martin das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Entsprechend groß war das Interesse der Bidinger - so groß, wie seit den mittlerweile ausgestandenen Querelen im Rat nicht mehr. "Ich nehme an, die vielen Gäste sind nicht wegen des Tagesordnungspunktes Straßenreinigung hier", hatte Martin diese zuvor begrüßt.
Wie er erklärte, reicht bei dem nun für März geplanten Bürgerentscheid eine einfache Mehrheit für einen Beschluss aus. Allerdings ist diese Mehrheit nur gültig, wenn sie mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten ausmacht. "Von 1200 Stimmberechtigten in Bidingen müssen 240 dafür sein", so Martin.
Diskussionsbedarf besteht noch über die Fragestellung beim Bürgerentscheid. Laut Hubert Gast geht es nicht nur um den Höhenzug bei Königsried: Er will, dass "überhaupt kein anderes" Vorranggebiet für Windkraft neben dem bestehenden ausgewiesen wird. "Meine Meinung ist aber", entgegnete Franz Martin, "dass wir innerhalb des bestehenden Gebiets kein drittes Rad wirtschaftlich betreiben können."
Solange die konkrete Fragestellung nicht feststeht und Abstimmungstag sowie Abstimmungsleiter noch nicht feststehen, handelt es sich bei der Entscheidung für das Ratsbegehren aber nur um einen Grundsatzbeschluss, betont Oberregierungsrat Ralf Kinkel vom Landratsamt. Dieser hat noch keine Rechtskraft, so Kinkel.
Gegen "Protesttourismus"
Anfang Februar will die Gemeinde die Termine für den Bürgerentscheid sowie für eine geplante Infoveranstaltung dazu bekannt geben. Um keinen "Protesttourismus" (so Franz Martin) heraufzubeschwören, sollen bei letzterer nur Gemeindebürger Zutritt erhalten.
Sollte der Bürgerentscheid übrigens pro Windkraft ausgehen, heißt das aber noch nicht, dass das Rad bei Königsried zwangsläufig gebaut wird: Die entsprechenden Greifvögel- und Emissionsschutzgutachten stehen dort noch aus.