Kempten (bec). - Ein Waschbär mitten in der Stadt? - Das kann nicht sein, dachte sich Peter Miller noch, als er am Dienstagabend über die St.-Mang-Brücke fuhr und dort ein pelziges Etwas an der Mauer entlang huschen sah. Als das Tier sich dann umdrehte und er den langen platten Schwanz sah, war dem Duracher klar, womit er es da zu tun hatte: Kein Waschbär, sondern ein waschechter Biber flitzte zu nächtlicher Stunde durch die Stadt. 'Er war patschnass und völlig orientierungslos', erinnert sich Peter Miller an die tierische Begegnung. Einfangen wollte der 40-Jährige den scheuen Nager wegen seiner eisenharten Zähne lieber nicht. Da das Tier aber ständig versuchte, auf die Straße zu laufen und damit wiederum Gefahr lief, unter die Räder zu kommen, musste Miller handeln. Kurzerhand griff er zum Telefon und alarmierte die Polizei. Mit Hilfe von zwei Beamtinnen und zwei weiteren Passanten gelang es schließlich, den Biber sicher über die Straße und zurück ins Wasser zu geleiten.
Stattliches Tier Gegen 22.30 Uhr fuhr Miller mit dem Auto über die Brücke, als ihm der putzige Nager ins Auge fiel. Der 40-Jährige stellte seinen Wagen ab und stand kurz darauf dem Biber gegenüber. Während er noch überlegte, was mit dem ausgewachsenen, etwa einen Meter langen Tier nun zu tun sei, kamen zwei Passanten des Weges. 'Zu dritt umzingelten wir den Biber und versuchten, ihn von der Straße fern zu halten', sagt Miller. Bis die beiden Polizistinnen kamen, die zunächst genauso ratlos waren. Miller: 'Letztendlich war es dann der Biber, der uns die Entscheidung abnahm.'Der nämlich fackelte nicht lange und trabte auf die Straße - im Schlepptau die beiden Beamtinnen, die den Verkehr regelten, während der Duracher und die anderen Passanten das Tier über die Straße trieben. 'Als er auf der anderen Seite war, wusste er dann wieder ganz genau, wo es langgeht', sagt Miller. Nämlich hinunter zur Iller, in der er schließlich mit einem lauten Platscher verschwand.Übrigens: Peter Miller ist nicht der Einzige, der mit dem Biber bereits Bekanntschaft gemacht hat. Wie Roland Sauter, Fachkraft für Naturschutz am Umweltamt, berichtet, stieß vor kurzem auch ein anderer Autofahrer in der Illerstraße auf den Nager. Der war aus dem Ankergässele gekommen und der Autofahrer musste eine Vollbremsung hinlegen, um das Tier nicht zu überfahren.'Das ist ein ganz eigenartiger Bursche', meint Sauter. Denn ganz im Gegensatz zu seinen übrigens streng geschützten Artgenossen treibt es den ansonsten sehr scheuen Biber offensichtlich immer wieder in die Altstadt und damit in Menschennähe. Für Sauter ein Rätsel: 'Normalerweise findet er am Fluss alles, was er braucht.' Möglich sei aber auch, dass er einfach flussaufwärts will und dahin komme er wegen des Wehrs nur auf dem Landweg. Die Polizei zu rufen, sagt Sauter, sei wohl in diesem Fall die einzig sinnvolle Lösung gewesen. Angst vor Biberbissen hätte Peter Miller laut dem Experten zwar nicht zu haben brauchen, denn der Nager sei sehr friedliebend. Doch, so Sauter: 'Erwischt hätte man den Biber ohnehin nicht, der hätte sich sicher vorher aus dem Staub gemacht.'