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Bestandsaufnahme beim Klinikverbund Ostallgäu-Kaufbeuren

Krankenhäuser

Bestandsaufnahme beim Klinikverbund Ostallgäu-Kaufbeuren

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    Seit einem Jahr dominiert eine Frage die Ostallgäuer Politik: Wie geht es mit den Krankenhäusern weiter? Am 14. April 2011 fasste der Verwaltungsrat Beschlüsse, mit denen Einschnitte beim Klinikverbund Ostallgäu-Kaufbeuren konkret wurden. Übrig blieben noch zwei Szenarien. In beiden Fällen sollte Kaufbeuren Schwerpunktversorger bleiben und Füssen die Versorgung im Süden abdecken. Für Buchloe und Obergünzburg waren Schwerpunkte angepeilt. Marktoberdorf hingegen drohte das Aus. Ende Juli war die Schließung Beschlusslage. Ende September gab es ein Nachnutzungskonzept: Ambulantes Operieren und Wundambulanz galten als sicher, eine Geriatrieabteilung blieb Option. Ein Bürgerentscheid trug dem Kreistag letztlich die Scheidung der Klinikehe auf. Doch die Zukunft ist weiter offen. Was seit April 2011 geschah, hat viele Aspekte. Es geht um Gesundheit und Wirtschaftlichkeit, um Ostallgäuidentität und Kirchturmdenken, um politische Macht und Demokratie.

    Die Ausgangslage

    Seit Jahren steht im Kreishaushalt eine Warnung: Die Klinikdefizite – meist über 6 Millionen Euro – sind ein Risiko, das man sich mit Kaufbeuren teilt. Mehrere Gutachter waren tätig, Manager kamen – und gingen. Das Ministerium mahnte Spezialisierungen an, bemängelte Überkapazitäten. Den Handlungsdruck bestätigt Ludwig Lederle, seit 2010 Vorstandsvorsitzender der Klinken: 'Ansonsten hätten sich die Defizite noch weiter kumuliert.'

    Die Weichenstellung

    Kreisrat Wolfgang Hannig gehört als einziger Marktoberdorfer dem 18-köpfigen Verwaltungsrat an. Als er hörte, die Beratungsfirma Kienbaum empfehle eine Schließung Marktoberdorfs, 'konnte ich das erst gar nicht glauben.' Für seine Kollegin Uschi Lax (Füssen) war die Entscheidung dennoch 'ergebnisoffen'. Klar war nur: Endlich müsse man Gutachten auch umsetzen. Werner Himmer, Bürgermeister der Kreisstadt, klammerte sich an das Prinzip Hoffnung: 'Ich setzte darauf, dass die Spezialisierung mit fünf Häusern zum Tragen kommt.' Fleschhut gibt ihm recht: 'Damals wollten alle die Fünfhäusigkeit.' Ziel des Schließungsszenarios sei gewesen, den Kostenunterschied zwischen vier und fünf Häusern zu ermitteln. Auch Bosse betont, dass er eine Lösung für alle Standorte wollte. Die Mehrheit bröckelte aber, da damit das Defizit nicht wirksam hätte begrenzt werden können.

    Die Protestkultur

    Tausende bei Demos, Unterschriftenlisten, Bürgerbegehren, Postkarten – der Protest kam prompt. Von Umstrukturierungen im Ober- und Unterallgäu wusste Fleschhut, wie sehr Kliniken Emotionen wecken. Doch die Intensität überraschte alle. Laut OB Bosse wäre dies vermeidbar gewesen, 'wenn im Ostallgäu umfassend und mutig informiert worden wäre.'

    Teil dieses Protests ist Roland Woschny vom Patientenforum im Günztal. Er ärgert sich seit Jahren über Verschwendung bei den Krankenkassen, teure Medikamente und hohe Bezüge für Klinikmanager. Als die Klinikversorgung ausgedünnt werden sollte, traten für ihn lokale Anliegen in den Vordergrund. Auch hier befürchtete er: 'Das Gesundheitssystem ist rein auf Gewinnmaximierung angelegt. Die Bevölkerung nimmt das nicht mehr hin.'

    Ein anderes Motiv hatte Dr. Norbert Metschl als Initiator des Bürgerentscheids: 40 Jahre lang habe er als Lehrer versucht, demokratische Strukturen zu vermitteln. 'Es ging mir gegen den Strich', ärgert sich der 76-Jährige über geheime Abstimmungen, deren Ergebnis nicht dem Bürgerwillen entspreche: 'Wir wollten mit demokratischen Mitteln zeigen, dass sich die Bürger das nicht gefallen lassen.'

    Alois Schmalholz vom Klinikförderverein Buchloe sagt, dass die Solidarität unter den Fördervereinen nur bis zum Bürgerentscheid gegeben war, 'da wir nur gemeinsam eine Möglichkeit zum Überleben der einzelnen Häuser sahen.' Der Landrat habe die Fördervereine gut eingebunden und informiert.

    Der Klinikbetrieb

    'Solange der Verwaltungsrat nichts anderes beschließt, läuft die Umsetzung des Sanierungskonzepts unvermindert weiter', erklärt Klinikmanager Lederle aktuell. Dass das Gesamtunternehmen Patienten verliere, sei nicht der Fall. Insgesamt entsprechen die Zahlen den Prognosen. Vor allem Kaufbeuren sei gut ausgelastet, es habe aber keine Situation gegeben, in der Patienten abgewiesen wurden. Die Patienten, die früher in Marktoberdorf behandelt wurden, kämen vor allem nach Kaufbeuren. 'Sie bleiben im Klinikverbund', bestätige sich eine Grundannahme des Kienbaum-Konzeptes. Sogar 'leicht über dem Plan' lägen die Zahlen beim ambulanten OP-Zentrum. Obergünzburg sieht er auf gutem Wege. Der Start der Endoprothetik mit einer Station sei geplant gewesen.

    Inzwischen seien die 33 Betten dauerhaft 'sehr gut gefüllt'. Man überlege, die zweite Station zu öffnen. Etwas zurückhaltend äußert er sich zu Buchloe: Das kooperative Darmzentrum sei 'annähernd im Plan', da müsse 'noch etwas mehr' gehen.

    Das Personal

    Die Stimmung beim Personal sei je nach Standort sehr unterschiedlich, sagt Personalratsvorsitzender Wolfgang Kurschus. Die Kündigungswelle sei ausgeblieben, bestätigt Lederle. Kurschus berichtet, dass die Integration des Personals, das von Obergünzburg und Marktoberdorf nach Kaufbeuren wechselte, gelungen sei. 'Ecken und Kanten gab es nur vereinzelt', so Lederle. Auf eine andere Umgebung und neue Kollegen stelle sich nicht jeder gleich gerne ein, ergänzt Kurschus.

    Die Gesprächskultur

    Auch in der Politik spielt die Chemie eine wichtige Rolle. Dies gilt besonders für die Protagonisten: 2011 hatte OB Bosse als Verwaltungsratsvorsitzender die Hosen an, seit Januar steht wieder der Landrat an der Spitze. Man hätte schon im Sommer Kompromisslösungen stärker forcieren und im direkten Kontakt festzurren müssen, sagt nicht nur die Landtagsabgeordnete Angelika Schorer. Doch einen Ausweg gebe es nur, wenn 'zwei Personen gemeinsam an einer Lösung arbeiten'. Dafür, so Fleschhut, sei die Gesprächsbasis immer noch breit genug. Zu Bosse habe er ein 'kooperatives, sachliches Verhältnis'.

    Die Lösungsansätze

    Für Roland Woschny steht fest: Nach dem Bürgerbegehren muss wieder aufgebaut werden, was zerstört wurde. Metschl sieht nur im Verbund der vier Kreiskrankenhäuser eine Lösung. Hannig fordert, in Marktoberdorf wieder eine chirurgische und internistische Grundversorgung aufzubauen. Dass man mit Kaufbeuren kooperiert, dafür sei er offen – sofern es eine vernünftige Lösung gibt. Denn das Geld für die Trennung wäre besser in der Patientenversorgung aufgehoben.

    Egal ob sich das KU auflöst oder der Verbund bleibt: Das Personal wünsche sich möglichst bald Klarheit, sagen Kurschus und Lederle. Fleschhut geht von einer Entscheidung vor den Sommerferien aus. Dass die Würfel im Verwaltungsrat fallen müssen – unabhängig von der Vorgabe des Bürgerbegehrens –, bestätige sich durch neue Gutachten.

    Viele Politiker wünschen sich, dass die Bürger Argumente wieder sachlich diskutieren. Lax betont, dass sich die Verwaltungsräte sehr intensiv mit dem Thema befassen. Persönliche Anfeindungen seien für sie unakzeptabel. Klar sei aber: Wenn die Unsicherheit noch lange währt, 'gehen im Ostallgäu alle Krankenhäuser kaputt'. Ein Satz, den man oft zu hören bekommt. Auch betonen viele Gesprächspartner, dass Kaufbeuren auch ein Ostallgäuer Haus sei. Für Bosse gibt es 'zu der engen Kooperation der Kliniken im Ostallgäu mit dem Klinikum Kaufbeuren keine sinnvolle Alternative'. Sein Angebot: Der Kreis soll den Anteil am Klinikum der Stadt verkaufen oder das Haus wie vor der Fusion gemeinsam betreiben. 'Sollte dies nicht die Zustimmung im Kreis finden, bleibt es beim gemeinsamen Unternehmen.' Allerdings werde die Stadt härter auf die Defizitgrenze drängen.

    Auch wenn Lax insgesamt viel Porzellan zerschlagen sieht, erweist sich Fleschhut kurz vor dem 40. Geburtstag des Ostallgäus als Optimist: 'Der Landkreis kann nur dann erfolgreich sein, wenn er zusammenhält. Das ist uns sehr schmerzhaft bewusst geworden.'

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