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Bergwacht kritisiert den TV-Film "Das Riesending - Jede Sekunde zählt"

Entsteht ein falscher Eindruck?

Bergwacht kritisiert den TV-Film "Das Riesending - Jede Sekunde zählt" scharf

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    Bernd Hellersdorf (Christoph Bach) verabschiedet sich von dem verletzten Josef Häberle (Roland Silbernagl) in einer Szene des Films "Riesending - Jede Stunde zählt" (undatierte Filmszene). Der Film basiert auf wahren Begebenheiten. 2014 verletzte ein Steinschlag einen Forscher in der Riesending-Höhle. Seine Rettung stellte die Einsatzkräfte vor große Herausforderungen.
    Bernd Hellersdorf (Christoph Bach) verabschiedet sich von dem verletzten Josef Häberle (Roland Silbernagl) in einer Szene des Films "Riesending - Jede Stunde zählt" (undatierte Filmszene). Der Film basiert auf wahren Begebenheiten. 2014 verletzte ein Steinschlag einen Forscher in der Riesending-Höhle. Seine Rettung stellte die Einsatzkräfte vor große Herausforderungen. Foto: picture alliance/dpa/Senator Film Produktion/BR/ARD/Degeto | Nikola Predovic

    Mit dem Drama "Das Riesending - Jede Sekunde zählt" wurde jetzt die dramatische Rettungsaktion des Höhlenforschers Johann Westhauser aus der Riesending-Höhle im Jahr 2014 ins Fernsehen gebracht. Über 800 Helfer hatten sich damals an dem aufwendigen Einsatz beteiligt. In dem zweiteiligen Spielfilm, der jetzt in der ARD zu sehen war, wollte Regisseur Jochen Alexander Freydank, der auch das Drehbuch schrieb, unter anderem „nah an der Realität“ bleiben. Ob ihm das gelungen ist, ist jedoch fraglich. Bei der Bergwacht Sonthofen kam der Film jedenfalls nicht gut an.  "Mit großer Enttäuschung haben wir den ARD Spielfilm ,Riesending-jede Stunde zählt' vom 29.12.2022 erlebt, der in keinster Weise den Tatsachen und unser ehrenamtlichen Ideologie entspricht", kritisiert die Bergwacht Sonthofen auf ihrer Facebook-Seite. Bei der Rettungsaktion waren auch einige Allgäuer Bergwachtler vor Ort. 

    Eindruck einer Dokumentation entsteht

    Die Bergwacht Bayern übt ebenfalls scharfe Kritik an dem Spielfilm. „Gewollt oder ungewollt entstehe, wie viele Rückmeldungen zeigen, leider der täuschend echte Eindruck, dass es sich bei der Produktion ,Riesending – jede Stunde zählt' um eine Dokumentation handle und die Handlungen und Sichtweisen der Bergrettung im Film der Realität entsprächen", kritisiert Dr. Klaus Burger, Regionalleiter der Bergwacht Chiemgau und damals mit in der Einsatzleitung, in einer Pressemitteilung der Bergwacht Bayern. 

    Bergwacht wird in falsches Licht gerückt

    "Die künstlerisch zwar zulässige Vermischung von Realität und Fiktion spiegeln aber nicht den Rettungswillen und die Kompetenzen unserer ehrenamtlichen Bergretterinnen und Bergretter wider. Die Bergwacht wird insofern in ein falsches Licht gerückt, was unsere hochmotivierten ehrenamtlichen Frauen und Männer nicht verdient haben", unterstreicht er.

    Alle Beteiligte arbeiteten eng zusammen

    Burger erinnert sich: Nachdem sich die Retter ein Bild der Lage gemacht hatten, sei sehr schnell klar gewesen, dass sie alles tun werden, um eine Rettung zu ermöglichen. Gleichzeitig hätte sich aber herauskristallisiert, dass sie für eine Höhlenrettung aus dieser Tiefe weitere Kollegen aus dem Ausland brauchen. "Von Beginn an arbeiteten alle Beteiligten eng zusammen und unterstützten im Team den gesamten Einsatz",  unterstreicht Burger. 

    „Unsere ehrenamtlichen Bergretterinnen und Bergretter sind maximal flexibel, hochmotiviert und bereit, mit Risiken und Unsicherheiten umzugehen, um bestmögliche Hilfe zu ermöglichen, egal in welchen Situationen und wie die Bedingungen sind“, ergänzt Thomas Küblbeck von der Bergwacht Marktschellenberg, ehemaliger Regionalleiter und Einsatzleiter beim Einsatz in der Riesending Höhle.

    Film zeichnet schwarz-weiß Welt

    Der „Star“ dieses Einsatzes war für ihn die „Mannschaft“, die sich zum einen aus Höhlenrettern aus der Schweiz, Italien, Kroatien, Österreich und Deutschland bzw. der Bergwacht, zum anderem aus vielen ehrenamtlichen und professionellen Einsatzkräften, die für Logistik, Versorgung und Transport zuständig waren, zusammengesetzt hatte. Dazu gehörten unter anderem die Bergwacht, Hilfsorganisationen, Bundeswehr, Bundes- und Landespolizei und die Feuerwehr. Auch die örtlichen Behörden, das Bayerische Innenministerium und die Bevölkerung im Berchtesgadener Talkessel unterstützten von Anfang an den Rettungseinsatz. „In keiner Weise nimmt der Film diese Wirklichkeit auf“, so Küblbeck. Vielmehr sei genau das Gegenteil der fall, kritisiert Roland Ampenberger, Pressesprecher der Bergwacht. "Auf Kosten der Bergwacht und deren ehrenamtlichen Einsatzkräften wird eine schwarz-weiß Welt gezeichnet. Wir fragen uns, was hier die Motivation ist und was letztendlich die Aussage des Films sein soll, wenn ein Realitätsanspruch besteht, gleichzeitig aber eine ganze Organisation diskreditiert wird, um Spannung zu erzeugen“, so Ampenberger. 

    Für Ehrenamtliche demotivierend?

    „Wir sind in Sorge, dass sich die Darstellung dieses Rettungseinsatzes alles andere als positiv auf die Motivation unserer Einsatzkräfte, insbesondere aber auch auf alle ehrenamtlichen Aktiven anderer Hilfsorganisationen, auswirkt. Gerade in dieser für die Gesellschaft schwierigen Zeit sollte doch das Gemeinsame im Mittelpunkt stehen. Hier stehen wir alle in der Verantwortung.“

    Elf Tage im Einsatz

    Der Einsatz in der Riesending Höhle 2014 stellte nach Aussage der Bergwacht Bayern eine Besonderheit in der alpinen Rettung dar. Elf Tage dauerte die Rettungsaktion. Über 800 Einsatzkräfte waren damals vor Ort, um den verunglückten Höhlenforscher Johann Westhauser aus einer Tiefe von ca. 1000 Metern zu bergen. Der erfahrene Forscher war etwa sechs Kilometer vom Höheneingang entfernt durch einen Steinschlag am Kopf verletzt worden. 

    Internationale Zusammenarbeit wurde gefördert

    Über die Erkenntnisse, die sie währenddessen gesammelt hatten, tauschten sich alle beteiligten Höhlenrettungsorganisationen gemeinsam mit den Höhlenrettern der Bergwacht Bayern aus, so die Bergwacht. Sie stehen auch weiterhin in gutem Kontakt. "Gerade durch den gemeinsamen Einsatz im Riesending wurde die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Höhlenrettung im Alpenraum stark gefördert", betont die Bergwacht in ihrer Pressemitteilung. 

    Herrmann stärkt Bergwacht den Rücken

    Rückendeckung bekommt die Hilfsorganisation von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Die Zusammenarbeit aller Einsatzkräfte sei damals hervorragend gewesen, betont er in einer Pressemitteilung. Darin bezeichnet er den damaligen Rettungseinsatz insgesamt und besonders auch den der Bergwacht als vorbildlich.

    Wichtige Aspekte werden ausgeblendet

    Auch er kommt zu dem Schluss, dass in manchen Stellen des Films der Eindruck erweckt werde, dass er auch einen dokumentarischen Charakter habe. "Insbesondere, was die Rolle der Bergwacht betrifft, weicht der Film deutlich vom tatsächlichen Geschehen ab", so Herrmann. Einige wichtige Aspekte des Rettungseinsatzes blende er beispielsweise völlig aus. Während des Einsatzes stellte vor allem die Logistik und die Organisation der vielen Einsatzkräfte die Retter vor eine große Herausforderung, unterstreicht der Innenminister. Daneben werde im Film weder auf die Fragen der Kosten noch auf die Bundeswehr, die als wichtiger Akteur im Einsatz war, eingegangen.

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