Steven Spielbergs Verfilmung ihrer Geschichte hat sie weltberühmt gemacht: Emilie und Oskar Schindler, die während des Zweiten Weltkriegs in ihren Fabriken rund 1200 Juden und andere vom Nazi-Regime Verfolgte in ihren Fabriken beschäftigten und damit vor dem Tod bewahrten. Aber gerade der Hollywood-Streifen "Schindlers Liste" zeichne ein verzerrtes, ja falsches Bild des Ehepaares und seines beeindruckenden Wirkens, so die Historikerin Professor Erika Rosenberg. Die enge Vertraute und Biografin von Emilie Schindler stellte ihre Sicht der Dinge bei einem Vortrag in der voll besetzten Aula der Marienschulen dar.
Auf Einladung der Elternbeiräte der beiden Kaufbeurer Gymnasien war die Argentinierin mit deutsch-jüdischen Wurzeln in die Wertachstadt gekommen. In enger Zusammenarbeit mit Elternvertreterin Anne Hirschbolz präsentierte Rosenberg eine kleine Ausstellung mit Dokumenten und Fotos zum Leben der Schindlers, sie referierte vor den Gymnasiasten und bei einer öffentlichen Veranstaltung auch vor einem großen interessierten Publikum.
Arbeitsscheuer Lebemann
Chronologisch, wissenschaftlich fundiert, aber beileibe nicht trocken erzählte Rosenberg ihre Version der Geschichte der Schindlers. So sei der junge Oskar Schindler tatsächlich ein eher arbeitsscheuer Lebemann gewesen.
Durch sein joviales, einnehmendes Wesen habe er jedoch auch viele Kontakte knüpfen können, die sich später für die Rettung seiner Arbeiter als überaus wichtig erweisen sollten. Darüber hinaus sei Oskar Schindler noch vor dem Zweiten Weltkrieg für die deutsche Spionageabwehr angeworben worden. Deren Leiter Admiral Wilhelm Franz Canaris habe im Hintergrund gegen die Gräueltaten der Wehrmacht und der SS in den besetzten Ostgebieten und letztlich gegen Hitler taktiert und Schindler deshalb auch beim Erwerb seiner dortigen Fabriken unterstützt, so Rosenberg. Oskar Schindler habe zudem konspirativ Informationen über die Zustände in den besetzten Gebieten und den Vernichtungslagern an das Ausland weitergegeben.
Werde schon die Persönlichkeit Oskar Schindlers in Spielbergs Film nur unvollständig dargestellt, so entspreche die Figur der Emilie Schindler als betrogene, aber größtenteils passive Ehefrau in dem Streifen überhaupt nicht der Realität. Auch für dieses Ehepaar habe ganz klar gegolten: "Hinter einem starken Mann steht eine noch stärkere Frau", so die Historikerin. Emilie Schindler habe die Rettungsaktion maßgeblich mitgetragen. Sie organisierte beispielsweise ständig zusätzlich Lebensmittel für die Arbeiter oder sei mit schweren Koffern voller Schnaps regelmäßig in die nächste größere Stadt gefahren, um diesen dort gegen Medikamente zu tauschen.
Streit mit Hollywood
Umso mehr hätten sie das Gebaren und die ungenügende Recherche von Spielberg und seinem Team bei der Verfilmung des Schindler-Stoffs 1993 verletzt. Trotz des großen Erfolgs von "Schindlers Liste" habe sich die Produktionsfirma auch geweigert, Emilie Schindler an Einnahmen zu beteiligen. Dabei lebte das Paar, das zum Kriegsende nach Bayern vertrieben wurde und 1949 nach Argentinien auswanderte, in ärmlichen Verhältnissen. Diese verschlimmerten sich laut Rosenberg noch, als Oskar Schindler in den 1950er Jahren nach Deutschland zurückkehrte und sich das Paar trennte. Oskar Schindler starb 1974 und wurde in Israel beigesetzt. Emilie Schindler fand 2001 ihre letzte Ruhe in Waldkraiburg.
"Die Filmemacher leben in einer anderen Welt", so das Resümee Rosenbergs. Doch egal, ob filmtauglich verändert oder historisch exakt, die Erinnerung an die "Helden" Emilie und Oskar Schindler müsse wachgehalten werden.
Als Fortsetzung des Projektes ist im nächsten Jahr eine Exkursion auf den Spuren der Schindlers in Tschechien und Polen geplant. Gruppen und Einzelpersonen, die Interesse haben, mögen sich bei Anne Hirschbolz melden, Telefon (08341) 16582, Email:
anne@hirschbolz.de