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bei Dieter Döbler Geschäftsführer von Allgäu-Fleisch Kempten

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bei Dieter Döbler Geschäftsführer von Allgäu-Fleisch Kempten

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    Kempten(bb). - 'Osteuropäer verdrängen massenhaft deutsche Arbeitnehmer'. 'Lohn-Dumping durch die Konkurrenz aus dem Osten'. 'Polnische Billiglöhner in norddeutschen Fleischfabriken': Drei Schlagzeilen aus dieser Woche. Neben der Baubranche nützen vor allem große Schlachthöfe die legale Möglichkeit, über Werkverträge Kräfte zu drei oder fünf Euro pro Stunde anzustellen. Das kostet nicht selten deutschen Arbeitskräften den Job. Wir sprachen über dieses Problem mit Dieter Döbler, Geschäftsführer von 'Allgäu-Fleisch' in Kempten: In deutschen Schlachthöfen geht die Angst um. Viele Mitarbeiter fürchten um ihren Arbeitsplatz, weil Schlachter-Kolonnen aus dem Osten den Job billiger machen Döbler: Das ist eine unerfreuliche Entwicklung. Ich kenne auch Meldungen, wonach ein großer Schlachtbetrieb in Norddeutschland bereits seit Jahren mehr als tausend rumänische Arbeiter beschäftigt haben soll. Allein der Sozialversicherungsschaden soll bei 6 Millionen Euro liegen. Wegen des Herkunftsland-Prinzipes? Döbler: Wenn die Arbeitskräfte über einen, slowakischen Werkvertrags-Unternehmer in Deutschland tätig sind, fließen entsprechend der EU-Regelung die Sozialabgaben nach dem Herkunftslandprinzip in die Slowakei. Volkswirtschaftlich ist das für Deutschland ein erheblicher Nachteil. Die deutschen Firmen, die Kräfte aus dem Osten angestellt haben, sparen nicht nur Sozialabgaben, sondern auch Löhne? Döbler: Die Bruttolohnkosten, also inklusive aller Lohnzusatzkosten, erreichen bei uns für qualifizierte Mitarbeiter ein Niveau von zirka 26 Euro je Arbeitsstunde. Die Billig-arbeitskräfte der osteuropäischen Dienstleistungs-Unternehmen erhalten, nach meinen Informationen, zwischen 3 und 8 Euro pro Stunde. Beschäftigt 'Allgäu Fleisch' denn keine Leute aus dem europäischen Osten? Döbler: Doch, natürlich. Bereits seit vielen Jahren beschäftigen wir Zuwanderer aus Osteuropa, Afrika und Asien, die ihre Arbeit zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigen.

    Von unseren 180 Mitarbeitern stammen zum Beispiel zehn aus Russland, neun aus Kasachstan, fünf aus Rumänien, zwei aus Polen, drei aus Serbien, einer aus Kroatien, fünf aus Italien, vier aus dem Irak, drei aus Marokko, zwei aus Togo, je einer aus Algerien und Tunesien. Diese Menschen leben seit Jahren in Kempten bzw. im Allgäu und wir sind froh darüber, das sie die nicht immer leichte Arbeit für unser Unternehmen verrichten, und das gerne. All diese Mitarbeiter sind Angestellte unseres Unternehmens und werden, je nach ihrer Qualifikation, wie ihre 120 deutschen Arbeitskollegen bezahlt. Wieso nutzen Sie nicht die legale Möglichkeit, durch Werkverträge Lohnkosten zu sparen. Die Konkurrenz macht Ihnen das ja vor? Döbler: Bisher haben wir uns gesträubt, es unseren Wettbewerbern gleich zu tun. Wir setzen bei der Be- und Verarbeitung des hochsensiblen Produktes Fleisch auf unseren bewährten Mitarbeiterstamm, der uns eine optimale Qualität garantiert. Darüber hinaus waren unsere Mitarbeiter bereit, im Bereich des freiwilligen Prämiensystems unseres Unternehmens Reduzierungen zu akzeptieren und dadurch einen Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung zu leisten. Wie lange können Sie noch auf billige Schlachter-Kolonnen aus dem Osten verzichten? Döbler: Unsere Branche steht seit Jahren unter massivem Ertragsdruck. Deshalb ist uns äußerst kostenbewusstes Handeln nicht fremd. Durch die bereits begonnenen Baumaßnahmen erwarten wir uns weitere Rationalisierungseffekte. Was die Verwerfungen durch die osteuropäischen Werkvertrags-Unternehmen anbelangt, kann ich nur hoffen, dass in nicht all zu ferner Zeit eine gewisse Nivellierung zu unseren deutschen Arbeitskosten in Gang kommt. Ansonsten wird es schwierig, unsere Strategie mit 'eigenen Arbeitern' durch zu halten. Bekommen Sie denn Angebote, über Werkverträge billige Arbeitskräfte einzustellen? Döbler: Wir erhalten nahezu wöchentlich Angebote von osteuropäischen Werkvertrags-Unternehmen, die ihre Dienstleistungen anbieten. Gerade heute hab ich wieder einen Brief aus Polen bekommen, den ich zu allen anderen ablegen werde. Wieso ist der Run aus dem europäischen Osten gerade auf die deutschen Schlachthöfe so groß? Döbler: Rinder und Schweine im Akkord zu zerlegen, ist nicht jedermanns Sache. In Deutschland haben sich bereits in den 70-er Jahren Metzger zu Arbeitsgruppen zusammen geschlossen, die sich auf die Zerlegung von Fleisch spezialisiert haben. Mit zunehmender Verlagerung der Feinzerlegung auf die Schlacht- und Zerlegebetriebe entstand eine starke Nachfrage nach diesen Spezialisten, die natürlich die Regeln des Marktes nutzten und entsprechende Forderungen für ihre Dienste verlangten. Diese interessanten Verdienstmöglichkeiten haben nicht erst ab dem 1. Mai 2004 - dem Beginn der Osterweiterung - den Wanderungsdruck der Zerlegekolonnen nach Deutschland ausgelöst, sondern schon vorher. Nur die Hürden wurden vom Gesetzgeber niedriger gesetzt.

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