Ein kühler Wind weht an diesem Sommerabend, und die Zuhörer, die sich nach und nach auf der Dorfwiese in Reichenbach einfinden, haben sich wärmende Decken mitgebracht. Um 20 Uhr erhebt Martin Köberle die Hand und die Musikkapelle Schöllang startet das einstündige Standkonzert mit einem "Gruß vom Widderstein".
Regelmäßig musiziert die Kapelle in der Altgemeinde Schöllang mit den Ortsteilen Rubi und Reichenbach. 17 Konzerte sind es heuer. Ständig auf Achse für die Musik: "Wenn man Spaß hat, fällts einem leicht", lächelt Toni Schratt, der erste Vorsitzende. Der 49-jährige Gastwirt und Seilbahnmaschinist ist seit 37 Jahren, fast sein ganzes Leben, im Orchester dabei. Über Akkordeon, Trompete und Schlagzeug kam er zum Tenorhorn: "Das Register musste gefüllt werden." Die Musik biete ihm den Ausgleich zu seinem beruflichen Alltag, sagt Schratt, der Werke von Mozart bis Michael Jackson schätzt. Und er genießt die Kameradschaft. "Die Chemie zwischen Jung und Alt stimmt", sagt er. Da klopfe der Älteste dem Jüngsten schon mal auf die Schulter: "Das schaffst du schon."
Die "Senioren" stecken auch durchaus mal zurück, um die Jungen mitzunehmen, ergänzt Dirigent Martin Köberle (43). Dann werde eben mal ein leichteres Stück gespielt. Das funktioniert offensichtlich. Der 13-jährige Maximilian Freudig ist seit einem halben Jahr als Tenorhornist in der Kapelle engagiert. Und er versichert, ohne zu überlegen: "Das macht Spaß." Und wie ist er mit der Musikauswahl zufrieden? Maximilian antwortet ganz ehrlich: "Wir spielen oftmals auch schöne Stickle. Bei den Märschen sind manchmal tolle dabei." Köberle schmunzelt: "Die Stücke werden von mir demokratisch ausgesucht." Aber wenn die Mehrheit meint, mit dem Werk könne man nichts anfangen, tritt Köberle auch mal den Rückzug an: "Gegen den Willen der Kapelle - das bringt nichts."
Für Köberle ist die Musik ein "Lebenselixier". Mit Musik könne er abends abschalten, sie ist für ihn eine Freizeitbeschäftigung, mit der er auch spielerisch seinen Horizont erweitern könne. "Schöner, als vor dem Fernseher rumzuhängen." Seit 1981 ist der Bankkaufmann Mitglied der Kapelle, mit fünf Freunden trat er damals ein. Er hatte da schon mit einem Blechblasinstrument geliebäugelt, aber da hieß es: Wir brauchen einen an der Klarinette. Köberle ist dabei geblieben. Später machte er die Dirigentenausbildung und plötzlich war er derjenige, "der sagt, wos langgeht". Das sei schon eine "ungewohnte Sache" gewesen.
Bei seiner Arbeit legt er besonderen Wert auf Artikulation und Dynamik. Für ihn ist es wichtig: "Lieber nicht zu schwer, dafür aber sauber." Er persönlich findet Musik von Mozart "ganz toll", in der Kapelle hat er in den vergangenen Jahren einen "tollen Boom" mit schönen böhmischen Polkas erlebt: "Die kann man so schön gefühlvoll spielen." Köberle, dessen zwei Töchter in der Kapelle bzw. in der Ausbildung sind, will in naher Zukunft den Dirigentenstab abgeben, weil er sich beruflich verändert. Ein Nachfolger wird derzeit gesucht.
Dass die Köberle-Töchter in die Schöllanger Musik einsteigen, war bis vor kurzem gar nicht so selbstverständlich. Erst ab 2006 waren auch Frauen zugelassen. Früher sei es eben Männersache gewesen. Heute aber, so der Dirigent, würden viele Kapellen ohne Mädchen gar nicht existieren.
Und seit die Mädchen bei der Ausbildung sind, kommen auch wieder mehr Jungen, hat der Musikchef erfreut festgestellt.
Marianne Tauser, 18, war vor vier Jahren die erste Frau in der Kapelle. Die Querflötistin und Schülerin am Gymnasium Oberstdorf kann sich noch gut an den ersten Moment erinnern, der "natürlich komisch" war. Aber sie sei "super" aufgenommen worden. Sie schätzt vor allem die Gemeinschaft im Ensemble und vielleicht auch die familiären Momente - Papa, Bruder und Onkel spielen ebenfalls mit.
Das nächste Standkonzert gibt die Musikkapelle Schöllang heute Abend um 20 Uhr im Pavillon im Kurpark zu Schöllang. Bei schlechtem Wetter findet das Konzert im Schelchwangsaal statt.