Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

Bauerntochter und Kriegsheldin

Allgäu

Bauerntochter und Kriegsheldin

    • |
    • |

    Von unserem Redaktionsmitglied Volker Klüpfel, Altusried/Memmingen - Literarisch und filmisch ist ihr Leben in den verschiedensten Facetten aufbereitet worden. Doch wer war Johanna, genannt die Jungfrau von Orléans, die für die Franzosen einen verloren geglaubten Krieg gegen England gewann, wirklich? Dieser Frage widmet sich die erste Folge unserer dreiteiligen Serie. Schillers 'Jungfrau von Orleans' wurde heuer in Altusried und Memmingen auf die Bühne gebracht. An ihrer Existenz gibt es keinen Zweifel, auch ihre Taten sind belegt. Die Kirche hat mit den Akten ihres Verhörs unfreiwillig selbst an ihrem Denkmal mitgeschrieben. Wie sie gelebt hat, ist aber umstritten: Manche sehen in der Bauerstochter aus einer existenziell gesicherten Familie, die durch ihre Erscheinungen schon früh zum Außenseiter wurde, gar ein Mittel des Hofstaats, um den König aus seiner Lethargie zu reißen, wie der Allgäuer Historiker Ernst T. Mader erklärt. Sicher ist laut Mader: 'Sie war Spielball und Propagandamittel zwischen Staat und Kirche, Klerus und Antiklerikalen, Idealisten und Materialisten.' Dr. Heinz Thomas, der eine detailreiche Johanna-Biografie verfasst hat ('Jeanne d'Arc, Jungfrau und Tochter Gottes'), hat sie als Frau charakterisiert, die fest an ihre Visionen glaubte. Aber woher kamen diese? Von Gott? Oder sind sie Ausfluss ihrer Magersucht, die Thomas anhand vieler Details (Ausbleiben der Periode, Überaktivität) diagnostiziert? (Dieser Frage geht ein weiterer Teil unserer Serie nach). Sicher ist nur: Auch die Mächtigen haben ihr geglaubt, denn im Mittelalter waren Visionen durchaus nicht ungewöhnlich. Durch ihre Leistungen auf dem Schlachtfeld erwarb sie sich schließlich sogar das Vertrauen ihrer Skeptiker, war nach Thomas also nicht religiöses Maskottchen. Sie wurde wie ein Hauptmann mit Waffen und Gefolge ausgestattet und hatte als Frau in Männerrüstung ungeheure Symbolkraft. Dabei war sie weniger eine Nahkämpferin, eher zu Pferde und als Strategin von Belang. 'Ich habe niemals einen Mann getötet', behauptete sie.

    So einzigartig ihr Leben aber auch erscheint: Die Geschichte kennt durchaus noch andere Frauen, die scheinbar unglaubliches vollbracht haben. Mader verweist etwa auf die Amazonen und auf die biblische Figur der Judit, die im Alleingang dem schlafenden Kriegsgegner Holofernes den Kopf abschlug und so ihre Stadt rettete. Der interessanteste Aspekt für Mader ist jedoch ein anderer: Warum geht von dieser Figur, die ja für nicht weniger als grausame Kriege steht, eine solch positive Faszination aus? Mader: 'Gottes Auftrag an Johanna lautet im Kern: Du sollst töten; dies steht in einer deutlichen, inzwischen meist verdrängten biblischen, aber in Europa weit über das Mittelalter hinaus lebendigen Tradition.' Soldaten im Auftrag Gottes - auch das ist keine Seltenheit in der Geschichte. Den Wert der Religion für die Kriegsführung habe auch Adolf Hitler benutzt, der im Jahr 1933 sagte: 'Wir haben Soldaten nötig, gläubige Soldaten. Gläubige Soldaten sind die wertvollsten. Die setzen alles ein.' Überhaupt ist die Geschichte voll von religiös motivierten großen Taten. Mader: 'In göttlicher Mission glaubten sich der Papst und Luther, die Gründerväter der USA und die Herrscher der Inka; auch Hitler berief sich auf die Vorsehung.'. Selbst heute sei das zu beobachten. Zwar laut Mader weniger in Europa, aber 'sowohl bin Laden wie George W. Bush berufen sich in ihrem politischen Handeln auf den Willen Gottes'. Johanna hat sich diesem Willen so stark verpflichtet gefühlt, dass sie das Leben Jesu imitierte - inklusive Opfertod. Und weil ihre Strahlkraft so groß gewesen sei, hätten viele diesen Tod einfach negiert. So entstanden Gerüchte über ihr Weiterleben, erklärt Heinz Thomas. Was bleibt, ist das Geheimnis einer jungen Bauerstochter, die große historische Taten vollbracht hat. Thomas: 'Vielleicht war sie krank, aber ihre Erfolge lassen sich damit nicht hinreichend erklären.'

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden