Marktoberdorf/Kempten (mun). - Es war ein Unfall, der aus dem Rahmen fällt: Rund 6000 Liter Öl liefen am Donnerstagmorgen bei Kempten nahe der A7 in eine Wiese. Ein Tanklaster war - wie berichtet - durch einen Pkw von der Autobahn abgedrängt worden und umgekippt. Nach der Bergung des Schwerfahrzeugs mussten 350 Kubikmeter verseuchte Erde entsorgt werden. Der Boden wurde zur Marktoberdorfer Spezialfirma Borag gebracht. Dort wird das Erdreich biologisch gereinigt. Bakterienstämme spielen dabei die zentrale Rolle. Die 350 Kubikmeter, nach Öl stinkender Erde - das entspricht in etwa 35 Lkw-Ladungen - liegen inzwischen in der großen Halle der Firma Borag - das Kürzel steht für 'Boden-Reinigung-Allgäu'. Nach der Einlagerung sei das Material zunächst mit einer bakterienhaltigen Lösung besprüht worden, erläutert Borag-Prokurist Marcus Hehl. In der großen Halle im Marktoberdorfer Gewerbegebiet lagern viele tausend Tonnen verseuchten Aushubs. Verschiedene, in die hier lagernden verseuchten Böden eingebrachten, Bakterienstämme sollen zusammen mit beigemengtem Kompost eine biologische Reinigung der Materialien in Gang setzen. Dieses biologische Verfahren gilt inzwischen als vergleichsweise preisgünstige Alternative zur sehr teuren Bodenwäsche. Borag-Chef Hehl bewertet die Erde vom Kemptener Unfall als 'sehr hoch belastet', was an der großen Menge des ausgelaufenen Öls liegt. 'Das wird mindestens zwei Monate dauern, bis dieses Material wieder irgendwo eingebracht werden kann - beispielsweise zum Verfüllen einer Grube in einem Gewerbegebiet'. Bis dahin muss das Erdmaterial immer wieder durch Wenden mit einem Bagger belüftet werden - anfangs einmal pro Woche, später nicht mehr so oft. Die eingebrachten Bakterien vermehren sich schnell und sie nehmen den Schadstoff Öl aus der Erde auf und bauen ihn über ihren eigenen Stoffwechsel ab. 'Je luftdurchlässiger das hier lagernde Material ist, umso schneller geht dies', erläutert Hehl.
40000 Tonnen jährlich In der mit einer Deponie-Abdichtung versehenen Anlage in Marktoberdorf werden pro Jahr etwa 40000 Tonnen Erdreich saniert. Das meiste stammt aus Altbau- und Altlastensanierungen, von Unglücksfällen oder Bränden. Die Palette der enthaltenden Giftstoffe ist groß: Heizöl und Benzin, Schwermetalle, Cyanid, Teer- oder Schweröle. Je Tonne reinigt Borag die Materialien für 25 bis 70 Euro. Entscheidend ist der Verseuchungsgrad. Der anerkannte Entsorgungs-Fachbetrieb wird wiederum überprüft. Erst wenn neutrale Gutachter grünes Licht geben, dürfen sanierte Böden wieder eingebaut werden. Und der Gesetzgeber hat auch ganz klar geregelt, wo welche Materialien mit einer bestimmten 'Belastungsstufe' verwendet werden können. Denn eine hundertprozentige Reinigung der verseuchten Böden gibt es praktisch nie - das wäre unverhältnismäßig teuer.