Gudrun Pausewang liest vor Schülern und will 'wach machen für soziale Probleme'Von Katja Egli Marktoberdorf 'Ich bin ein Bücherwurm, das Lesen hält mich fit', singt eine Musikgruppe der Marktoberdorfer Sankt-Martin-Grundschule und begeistert damit nicht nur einige Mütter, sondern auch einen ganz besonderen Gast: Gudrun Pausewang, eine der bedeutendsten Kinder- und Jugendbuchautorinnen der deutschen Nachkriegszeit, hätte nicht passender empfangen werden können. Für acht Lesungen an der Sankt-Martin-Schule, in Thalhofen, in Leuterschach und am Marktoberdorfer Gymnasium reiste die 74-jährige Schriftstellerin ('Die Wolke', 'Die letzten Kinder von Schewenborn') ins Ostallgäu.
In ihrer Kindheit und Jugend, erzählt Pausewang den Dritt- und Viertklässlern, sei sie eine richtige Leseratte gewesen. Allerdings hätten ihre Eltern nicht das Geld gehabt, Kinderbücher zu kaufen. 'So wurde ich mit Erwachsenenbüchern groß.' Kam ihr allerdings doch einmal ein für ihr Alter gerechtes Buch in die Hände, dachte sie: 'Ist das langweilig. Ich fühlte mich nicht ernst genommen.' Und weil sie ihre Leser ernst nehmen wolle, seien es Kinder oder Großeltern, mutet die Autorin ihren Lesern 'oft ganz schön was zu'.
Aus ernstem Stoff ist auch die Geschichte 'Der Großvater und der Bollerwagen' gestrickt, die Pausewang den Grundschülern präsentiert. Sie spielt in Südamerika. Großvater Aurelio ist alt und gebrechlich, möchte nicht mehr leben. Deswegen lässt er sich von Enkel Pepito im Bollerwagen einen Berg hinaufziehen, von dessen Gipfel aus er sein Leben beenden will. Doch der Weg nach oben verändert die Einstellung des alten Mannes. Menschen, die ihm auf dem Weg begegnen, und Enkel Pepito, wecken in ihm wieder Lebensmut. Nun will Aurelio, der niemals eine Schule besucht hat, dank seinem Enkel sogar Lesen und Schreiben lernen.
Pausewang liest die Geschichte nicht einfach vor, sie bindet die Kinder mit ein. 'Wisst ihr schon, was der Großvater oben vorhat', fragt sie zwischendurch und dutzende Hände schnellen wie im Unterricht in die Höhe. 'Psst, noch nicht verraten!', versucht Pausewang, die Spannung aufrecht zu erhalten. Außerdem erklärt die ehemalige Lehrerin, die 13 Jahre in Südamerika gearbeitet hat, dass dort noch immer sowohl Erwachsene als auch Kinder nicht lesen und schreiben könnten, weil es entweder keine Schulen gibt, oder das Schulgeld zu hoch ist.
Mit ihren Lesungen oder in Diskussionen mit Jugendlichen will die 74-Jährige 'wach machen für soziale Probleme', und zum Lesen anregen. Als 'Schnupperstunde' mit einer Schriftstellerin bezeichnet Grundschulrektorin Helga Romberg die Lesung. Sie solle 'Appetit auf mehr Pausewang und weitere Autoren' machen. Während es in der Grundschule wichtig sei, Leseinteresse zu wecken, gehe es etwa bei Gymnasiasten in der Mittelstufe darum, das Interesse am Buch zu erhalten, sagt Claus Strunz, Lehrer am Marktoberdorfer Gymnasium und Organisator des Leseprojekts mit Gudrun Pausewang.
'Man muss Kinder zu positiven Leseerfahrungen bringen', meint Romberg. Eine bleibende Erinnerung nehmen die Grundschulkinder von der Autorin auf jeden Fall mit. Fast alle ließen sich ein Buch von Pausewang signieren.