Eine Gewinnerin ist sie bereits jetzt. Vor ein paar Monaten war Lena Meyer-Landrut noch ein völlig unbeschriebenes Blatt im Musikgeschäft, heute Abend blickt ganz Europa auf sie. Im norwegischen Oslo wird die 19-jährige Hannoveranerin die deutschen Farben beim europäischen Schlagerwettbewerb "Eurovision Song Contest" vertreten. Mit ihrem Lied "Satellite" steht sie seit Wochen an der Spitze der deutschen Charts. Nun soll der große Coup beim größten Musikwettbewerb des Kontinents folgen und Meyer-Landrut in die Fußstapfen der bislang einzigen deutschen Gewinnerin Nicole, die sich 1982 die europäische Hit-Krone ersang, treten.
Unbekümmert und sympathisch
"Lena ist unverwechselbar in ihrer Stimme und ihrem Auftreten", sagt Georg Wörle, Schlager-Produzent und Musiker aus Baisweil. Solch ein Wiedererkennungswert sei in diesem Geschäft sehr wichtig. Bei dem Wettbewerb, früher Grand Prix genannt, seien die "schönen Schnulzen" von einst ohnehin nicht mehr gefragt. Möglichst ausgefallen müsse man dort mittlerweile auftreten. "Das kann sie sicherlich und bringt außerdem Unbekümmertheit und eine sympathische Ausstrahlung mit", so Wörle.
"Sie wirkt authentisch"
Bei einem deutschlandweiten Wettbewerb hat sich die hübsche Brünette gegen Hunderte von Bewerbern durchgesetzt. "Sie wirkt authentisch und zieht ihr Ding durch. Das kommt an", erklärt Jenny Bauer. Die Kaufbeurerin stand 2008 selbst unter den besten 50 Sängern bei "Deutschland sucht den Superstar". "Lena wird dieses Image vom kleinen, süßen, unschuldigen Mädchen auferlegt, aber so unschuldig ist sie gar nicht", schmunzelt Bauer. Das habe schließlich der medial aufgebauschte "Nackt-Skandal", bei dem Meyer-Landrut als damals 17-Jährige oben ohne in einer Fernsehserie zu sehen war, gezeigt. Ansehen hin oder her: Sie habe eine ganz besondere Stimme und ein Lied, das ihr auf den Leib geschrieben ist. Nur leider zähle das heute in Oslo nicht mehr allzu viel. "Da kommt es mehr auf die größte Show und den tiefsten Ausschnitt an", sagt Bauer. Sie rechnet mit einer mittleren Platzierung für die Hannoveranerin.
Bei Lenas gesanglichen Qualitäten gehen die Meinungen der hiesigen Musikszene jedenfalls auseinander. "Sie hat etwas, kommt locker und spontan rüber, aber eine richtig gute Sängerin ist sie nicht", meint der Kaufbeurer Hip-Hop-Künstler Patrick Kammerer alias Sir Seom. Auch ihr Lied für den Wettbewerb sei gesanglich nicht sehr anspruchsvoll. "Ich kann mir einen Platz unter den ersten Zehn vorstellen, weil sie sich mit ihrem Auftreten abhebt, aber das allein reicht für eine absolute Spitzenplatzierung wohl nicht", so der 27-Jährige, der es begrüßen würde, wenn die Darbietungen bei dem Schlagerwettbewerb wie früher in der jeweiligen Landessprache gesungen werden müssten. "Lenas englischer Akzent klingt arg gekünstelt. Aber das gehört wohl zur Show dazu."
Ihre Chancen für den heutigen Abend einzuschätzen, sei sehr schwer, gesteht Georg Wörle: "Es gibt einfach keinen gemeinsamen europäischen Musikgeschmack. Da ist im Prinzip vom Sieg bis zum letzten Platz alles drin, aber ich sehe Lena irgendwo im vorderen Drittel." Eine vage Prognose, aber das Musikmachen im Pop-Bereich habe sich wie auch der Wettbewerb und die Künstler nun einmal über die Jahrzehnte stark verändert. Anders, so wie Lena Meyer-Landrut eben. Vielleicht ist genau das ihre große Chance.