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Aus wirtschaftlichem Gründen ins Krankenhaus

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Aus wirtschaftlichem Gründen ins Krankenhaus

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    DGB-Ortskartell beschäftigt sich mit Gesundheitsreform ­ Budget der Hauptstreitpunkt Marktoberdorf/Ostallgäu (af). Die Gesundheitsreform ist immer ein Thema. Das zeigte sich bei einer Veranstaltung des DGB-Kreises Allgäu und des Ortskartells Marktoberdorf. Es entwickelte sich eine muntere Diskussion zwischen Publikum und Podium. Am Ende fanden Ärzte und Politiker sogar Berührungpunkte. Als Knackpunkt erwies sich das Budget und dessen Verteilung. Ein Ausweg könnte sein, wenn Patienten selbst Verträge mit Kassen und behandelnden Ärzten schließen.

    'Ich habe die Vision von einem mündigen Bürger, der selbst entscheidet, was er will', zeigte Dr. Peter Höhne auf. Der Vertrauensmann der Kassenärztlichen Vereinigung für das Ostallgäu schlug einen Grundbetrag als Pflichtbeitrag für die Krankenkassen vor. Die weitere Versorgung könne der Patient über Zusatzversicherungen individuell steuern. Der Patient schließe dann einen Vertrag mit dem Arzt, auch über die Höhe der Kosten.

    Die Direktorin der AOK Kaufbeuren-Ostallgäu, Ingeborg Rietzler, zeichnete ihre Vision von einem 'finanzierbaren System, bei dem chronisch und mehrfach Kranke nicht auf der Strecke bleiben'. Sie beklagte die Ärzteschwemme, die höher als im Durchschnitt übers Ostallgäu geschwappt sei und sprach sich für den offenen Wettbewerb der Krankenkassen aus, 'aber mit gleichen Mitteln'. Sie und Höhne äußerten sich enttäuscht über die Reform, es sei 'ein Rumpfgesetz'.

    Dritter im Bunde war Prof. Martin Pfaff. Der Bundestagsabgeordnete der SPD und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen griff den Vorschlag Höhnes auf, warnte aber vor einer gänzlichen Privatisierung. Bei allen Reformen müsse stets an das Wohl der Patienten gedacht werden.

    Zu Beginn hatte Pfaff ausführlichst die Ziele der Gesundheitsreform dargestellt. Ziel sei es gewesen, sie ohne Beitragserhöhung und ohne höhere Zuzahlung der Patienten für Arzneimittel durchzusetzen. 'Da mussten wir nach Einsparmöglichkeiten suchen.' So sei es nicht zu verstehen, weshalb Untersuchungen teilweise doppelt und dreifach vorgenommen werden. Überkapazitäten an medizinischen Geräten und Krankenhaus-Betten müssten abgebaut werden. Auch die Vergütung der Einzelleistung sollte überdacht werden. In anderen Ländern gebe es für Ärzte eine Vergütung pro Fall oder pro Kopf und Quartal.

    Die Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgung, die bedarfsabhängige Öffnung der Krankenhäuser, die Stärkung der hausärztlichen Versorgung mit einer Steigerung deren Honoraranteils, die Stärkung der Vorbeugung ­ auch im Zahnbereich ­ nannte Pfaff als Ziele der Reform. Das geplante Globalbudget für Arzneien und Heilmittel sei vom Bundesrat gekippt worden. Ein Budget, wie es jetzt 'scheibchenweise' verteilt werde, fördere nur den Verteilungskampf.

    Das Budget war Hauptkritikpunkt der Ärzte unter den rund 100 Zuhörer. 'Man kann am 1. Januar kein Budget festsetzen und sagen, das muss bis zum 31. Dezember reichen', wehrte sich Höhne. Im Laufe des Jahres gebe es viele Unwägbarkeiten.

    Patient zweiter Klasse

    Zusätzlich müssten niedergelassene Ärzte Tätigkeiten übernehmen, die früher vom Krankenhaus ausgeführt worden seien. Außerdem: 'Solange Teststreifen für Diabetiker als Medikament gelten', könne der Etat nicht reichen. Es fehle eine Anpassung des Budgets an die Gegebenheiten. Gleiches gelte für die Honorare bei Hausbesuchen. 'Irgendwann muss ich den Patienten ins Krankenhaus einweisen ­ nicht aus medizinischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen', sagte Höhne.

    Das Szenario einer Zwei-Klassen-Gesellschaft ('Kann ich mir den Patienten leisten? Gebe ich ihm Medikamente ohne Nebenwirkungen, die aber teurer sind?') wurde in der Diskussion ebenso dargestellt wie die Forderung nach Einblick in die Abrechnung durch die Patienten. Günter Möhwald, einer der Vorsitzenden des DGB-Ortskartells, äußerte sich zufrieden über den Abend. Die sachliche Diskussion habe auch gemeinsame Standpunkte erbracht, die in dieser Form noch nicht zu hören gewesen seien.

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