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Auftragsboom jäh gestoppt

Kaufbeuren / Denklingen

Auftragsboom jäh gestoppt

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    Die Insolvenz der Firma Schuster Präzision ist ein Beispiel dafür, wie brutal und plötzlich die Weltwirtschaftskrise bis in die Provinz durchschlägt. Es ist kein Jahr her, dass die Maschinen des Denklinger Unternehmen im Kaufbeurer Werk am Anschlag liefen. Das Wachstum schien kaum Grenzen zu kennen für die Hightech-Schmiede, mit deren Namen das Material des Tennisschlägers von Steffi Graf ebenso verbunden ist wie der surrende Zahnarztbohrer. Rund 15 Millionen Euro investierte Schuster nach eigenen Angaben in Maschinenausstattung, Messmittel und Infrastruktur, nachdem er vor vier Jahren die Niederlassung in einem Anbau am Kaufbeurer Innovapark bezogen hatte. 60 Arbeitsplätze entstanden dort. Dann kam die Wirtschaftskrise, die Aufträge brachen weg: Das Personal baute Überstunden und Urlaub ab, es folgte Kurzarbeit. Bis auch das nichts mehr half. Nun sind dem einstigen Vorzeigeunternehmen die liquiden Mittel ausgegangen(wir berichteten).

    Firmenchef Helmut Schuster zeigt sich im Gespräch mit der AZ tief betroffen. "Im Herbst vergangenen Jahres sah alles noch so positiv aus", sagt er, "dann hat die Krise brutal zugeschlagen." Und es zeigte sich, dass auch ein einst boomender und mit staatlichen Innovationspreisen geschmückter Betrieb nicht von der Rezession verschont bleibt. "Wir mussten schon oft einen langen Atem haben", so der Firmengründer. Denn die selbst entwickelten Präzisionsmaschinen aus Denklingen wurden immer lange vorfinanziert. Zum Jahresende hin, erzählt der Unternehmer, hätten viele Auftraggeber ihre Maschinen nicht mehr abgenommen, darunter Schäffler und Thyssen. Fast zwei Monate seien die Einnahmen ausgeblieben, es sei um mehrere Millionen Euro gegangen. Da reicht auch der längste Atem nicht.

    Das jedoch war nur die eine Minusseite. Das Unternehmen produziert seit Jahren auch auf den eigenen Maschinen - vom Pumpengehäuse für Cabrio-Autodächer bis zum Dübel für Atomkraftwerke. Die Ideenschmiede hatte Schuster im Kaufbeurer Werk angesiedelt, wo die Serienproduktion in einer Halle des Innovaparks lange brummte. "Aber auch dort gab es Ende 2008 in einzelnen Bereichen Einbrüche von 20 bis 30 Prozent", sagt Schuster. Das habe der Maschinenbau noch auffangen können. Der Januar und Februar gab dem Unternehmen dann den Rest. Die Krise machte sich in allen Sparten bemerkbar. "Wir haben bis zum Schluss gekämpft", sagt Schuster.

    Die Insolvenzmeldung soll nun eine Sanierung ermöglichen. Der vorläufige Insolvenzverwalter Christian Plail von der Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner aus Neu-Ulm arbeitet mit der Firmenleitung an einem Konzept. "Der Geschäftsbetrieb wird unvermindert fortgeführt", so Plail. Ziel sei es, das Unternehmen in der Insolvenz zu restrukturieren und auf Dauer zu erhalten. Positive Signale seitens der Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten sowie der Banken zur Unterstützung des Vorhabens seien vorhanden. Gestern soll ein Kunde zur Abnahme einer Maschine da gewesen sein. Schuster: "Hätten wir dieses Geld drei Wochen früher bekommen, wäre alles anders gelaufen."

    Die Gehälter und Löhne der Arbeitnehmer sind nun für die nächsten zwei Monate durch das Insolvenzgeld abgesichert. "Wir stehen voll hinter dem Unternehmen", sagt ein Beschäftigter der 160-köpfigen Belegschaft. An der Strategie gebe es keine Kritik. "Wichtig für uns ist, dass die kommenden Gehälter sicher sind." Die Mitarbeiter haben ihre Verbundenheit auch bei einer Betriebsversammlung zum Ausdruck gebracht. Firmengründer Helmut Schuster bekam nach seiner Rede Applaus. Es soll Tränen gegeben haben - Tränen der Betroffenheit, aber auch der Rührung.

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