Der Deutsche Landkreistag hat in dieser Woche vor einer Überforderung der Kommunen bei der Versorgung von Flüchtlingen gewarnt. Präsident Sager erklärte, dass die Landkreise bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen die Kapazitätsgrenzen erreicht hätten. Auch Innenministers Joachim Herrmann sagte, dass die Zahl der Menschen, die Schutz in Deutschland suchen, wieder stark gestiegen sei. Dass das der Wahrheit entspricht, können die Allgäuer Landkreise und kreisfreien Städte bestätigen. Die Kreise im Allgäu haben aktuell mit der Anzahl und der Unterbringung der schutzsuchenden Menschen zu kämpfen. Dabei könnten in nächster Zeit noch mehr Flüchtlinge ankommen.
Die aktuellen Flüchtlingszahlen im Allgäu
Die Mehrzahl der Landkreise und kreisfreien Städte im Allgäu melden steigende Flüchtlingszahlen. So viele Geflüchtete sind laut den Landratsämtern und Städten aktuell in den Allgäuer Kreisen untergebracht:
- Ostallgäu: Im Ostallgäu befinden sich derzeit etwa 1.900 geflohene Menschen aus der Ukraine. Dazu kommen rund 500 Asylbewerber. Im April waren es noch 1.400 bis 1.500 Flüchtlinge.
- Ravensburg: Mittlerweile sind 2.800 Geflüchtete (April: etwa 1.500) aus der Ukraine im Landkreis Ravensburg angekommen. Von diesen leben gerade 944 Menschen in den Unterkünften der vorläufigen Unterbringung des Landkreises. Außerdem sind weitere 573 Asylbewerber untergebracht. Diese Zahl ist seit April stark angestiegen. Damals waren es noch etwa 1.500 Menschen, die in Ravensburg Schutz suchten.
- Unterallgäu: Aktuell leben im Landkreis Unterallgäu 1.033 Flüchtlinge in staatlichen Unterkünften. Auch hier sind seit April (750 Geflüchtete) einige hilfesuchende Menschen dazugekommen.
- Kaufbeuren: Derzeit sind in der Stadt Kaufbeuren rund 450 Menschen, die Schutz suchen, registriert. Das entspricht denselben Flüchtlingszahlen, die Kaufbeuren auch im April meldete.
- Lindau: Der Landkreis Landkreis Lindau zählt aktuell 1.987 Geflüchtete. Davon sind 858 Menschen ukrainische Geflüchtete. Im April meldete das Landratsamt noch 570 geflüchtete Menschen.
- Oberallgäu: Der Landkreis Oberallgäu hat zur Zeit 1.340 Menschen aufgenommen, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Hinzu kommen ca. 450 Menschen, die sich im Asylverfahren befinden. Außerdem befinden sich dem Landratsamt nach in den Unterkünften ca. 250 Menschen, die den Status "geduldet" haben, und ca. 200 Menschen, die anerkannt sind, aber noch keine Wohnung gefunden haben. Auch im Oberallgäu sind also seit April mehr Flüchtlinge angekommen. Da waren es noch 1.047 Geflüchtete aus der Ukraine.
- Kempten: Aktuell sind rund 800 aus der Ukraine geflüchtete Menschen in der Stadt Kempten untergebracht. Im April waren es noch ca. 750 Flüchtlinge. Allerdings war in Kempten auch damals schon die Grenze der kommunalen Aufnahmefähigkeit erreicht.
- Memmingen: In Memmingen sind mittlerweile 953 Flüchtlinge. Davon haben der Stadt nach 824 Menschen einen Ukraine-Fluchthintergrund. Zum Vergleich: Im April waren es noch 506 Geflüchtete und im gesamten Jahr 2015 mit dem verstärkten Fluchtgeschehen durch den Syrien-Krieg hatte die Stadt Memmingen 521 Personen aufgenommen.
Allgäuer Kreise sind schon oder kommen bald an die Kapazitätsgrenze
Inzwischen ist die Aufnahmefähigkeit von Flüchtlingen im Allgäu allerdings in vielen Landkreisen und kreisfreien Städten problematisch. Die Landkreise Ostallgäu, Ravensburg, Unterallgäu und die Stadt Kaufbeuren melden, dass die Kapazitätsgrenzen zur Unterbringung geflüchteter Menschen erreicht sind und die Kommunen nicht mehr in der Lage sind, weitere Menschen aufzunehmen.
- Im Ostallgäu steht, trotz der Anmietung zahlreicher Objekte durch das Landratsamt, kein privater Wohnraum zur Unterbringung von ukrainischen Personen mehr zur Verfügung. Auch die Asylunterkünfte sind bereits an oder kurz vor ihren Kapazitätsgrenzen.
- In Ravensburg "wurde die Kapazitätsgrenze bereits vor ein paar Wochen erreicht." Als Lösung mussten zu diesem Zeitpunkt Behelfsunterkünfte in den Kreissporthallen eingerichtet werden.
- Das Unterallgäu ist dringend auf der Suche nach weiteren Flüchtlingsunterkünften. "Die bestehenden Unterbringungsmöglichkeiten sind bereits stark ausgelastet", berichtet das Landratsamt. Allerdings werden trotzdem zahlreiche weitere Geflüchtete erwartet.
- Auch die Stadt Kaufbeuren ist bezüglich der eigenen Unterkünfte an der Kapazitätsgrenze angelangt. Derzeit gibt es nur noch wenige freie Plätze in den städtischen Unterkünften. Diese werden jedoch benötigt, wenn die Räume in den Gastfamilien nicht mehr zur Verfügung stehen. "Sollte es eine weitere Flüchtlingswelle geben, müssten auch wir die Flüchtlinge wieder in Turnhallen unterbringen", erklärt die Stadt.
- Kaum noch Kapazitäten hat der Landkreis Lindau zur Verfügung. Nach aktuellem Stand hat der Landkreis in den Unterkünften nur noch Kapazitäten im zweistelligen Bereich übrig. Der Landkreis ist daher auch weiterhin auf der Suche nach neuen Mietangeboten zur Unterbringung Geflüchteter und freut sich über passende Angebote aus der Bevölkerung.
- Auch die Stadt Kempten stellt die Unterbringung der Flüchtenden vor große Herausforderungen. Die Stadt sieht daher die Einschätzung der Kommunalen Spitzenverbände, dass absehbar eine Kapazitätsgrenze einreicht werden könnte, als durchaus berechtigt an.
- Der Landkreis Oberallgäu meldet, dass man aktuell noch in der Lage sei, "seiner Verpflichtung zur Unterbringung nachzukommen." Die Auslastungsquote der Unterkünfte sei in den letzten Wochen aber deutlich angestiegen. Mit den erwarteten weiteren Flüchtlingen wird jedoch auch der Landkreis seine Kapazitätsgrenzen erreichen, berichtet das Landratsamt. "Wir sind daher weiterhin aktiv bemüht, Unterkünfte anzumieten, damit keine Notunterkünfte zur Unterbringung erforderlich werden", heißt es.
Es fehlt an Wohnraum
Das Hauptproblem, warum in den Allgäuer Städten und Landkreisen keine beziehungsweise so gut wie keine Kapazitäten für geflüchtete Menschen vorhanden sind, ist der fehlende Wohnraum. In Kaufbeuren stehen laut Stadt für die kurzfristige Zuwanderung der großen Zahl von Flüchtlingsfamilien leider nicht ausreichend Wohnungen zur Verfügung. Auch Kempten stellt die weiterhin steigende Anzahl von ukrainischen Flüchtlingen vor große Herausforderungen, was den Wohnraum angeht. In Lindau finden die Flüchtlinge nur sehr schwer privaten Wohnraum. Sie müssen somit über mehrere Jahre in den staatlichen Unterkünften leben. Das liegt laut Lindauer Landratsamt aber auch daran, dass mehr als 50 Prozent der Geflüchteten "Fehlbeleger" sind, also Geflüchtete, die eigentlich privat unterkommen müssten. Aus dem Oberallgäu heißt es, dass unabhängig von der Kreiszugehörigkeit Wohnraumknappheit herrscht. Und für das Unterallgäu erklärt Landrat Alex Eder: "Ein Grund dafür ist sicherlich auch die Steigerung der Attraktivität für Zuwanderung durch die Migrationspolitik der Bundesregierung, auf die der Innenminister in der Videokonferenz hingewiesen hat. Aber unabhängig von möglichen Auslösern müssen wir vor Ort jede ankommende Person anständig unterbringen, wofür uns einfach bald der Wohnraum fehlt." Doch nicht nur Wohnungen fehlen.
Engpässe bei Kinderbetreuungsplätzen
Auch Kita- und Schulplätze für die Kinder der Geflüchteten fehlen im Allgäu teilweise. Das Landratsamt Lindau meldet: "Aus Sicht der Jugendhilfe können wir berichten, dass es für die Kommunen im Landkreis, bei den ohnehin schon knappen Betreuungsplätzen, eine Herausforderung darstellt, jedem Kind im Rahmen des gesetzlichen Anspruchs einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen." Seitens des Landkreises Oberallgäu sei die Lage im Bereich der Kindertagesstätten, insbesondere auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel, wie in einer Vielzahl anderer Kommunen auch, insgesamt angespannt. Das Ostallgäu hingegen meint, dass Engpässe im Kita- und Schulbereich gesamtgesellschaftliche Herausforderungen seien, die nicht nur ein Problem der Zuwanderung sind, sondern auch durch beispielsweise Fachkräftemangel hervorgerufen werden können. Doch in manchen Kommunen, beispielsweise der Stadt Kaufbeuren, gibt es hier auch gute Meldungen: Die Stadt berichtet, dass man bei der Beschulung der Kinder sehr eng mit dem staatlichen Schulamt zusammenarbeite und das hier " bislang durchgehend gute Lösungen" gefunden werden konnten.