Einen Glasturm mit organischen Formen könnte man dieses Gebilde nennen, oder eine dreibeinige Vase, in deren Öffnung eine kastanienförmige Stahlkugel ruht, oder aber einen transparenten Zahn, der fest verwurzelt steht in einem die Kleinstadt Isny umfassenden, grünen Ring: Peter Zumthors Entwurf für das neue Isnyer Stadttor ist zweifellos spektakulär.
Gestern Nachmittag stellte der Schweizer Stararchitekt seine Ideen zunächst geladenen Gästen und anschließend der Isnyer Bevölkerung vor. Schon der erste Anblick des Modells, eingefügt in die maßstabsgetreu nachgebildete städtebauliche Situation, ist überwältigend. So ein Gebäude gibt es nirgends. Wenn Peter Zumthor dann erläutert, was hinter seiner Vision steckt, erschließt sich in vielen Details ein frappierend einfacher Bezug zum Eingangsgedanken der Auftraggeber: ein historisches Stadttor, das vor 180 Jahren abgerissen wurde, wieder aufzubauen.
Zumthor hat die Aufgabe so verstanden: "Die Stadt wollte ein Stück Stolz signalisieren und ein Stück touristische Infrastruktur schaffen -ein neues Wahrzeichen und einen neuen Anziehungspunkt." Er hat sich an den vielen Isnyer Türmen orientiert, und den neuen angelehnt an sein historisches Vorbild: 35 Meter war das frühere Obertor hoch, so hoch soll auch das Zumthor-Tor sein. Das Alte hatte einen barocken Abschluss - Zumthor setzt oben die Kugel drauf.
Form, Oberfläche und Licht geben dem Turm seinen Zauber
Auf der Suche nach dem geeigneten Baumaterial wurde der Architekt in Nordböhmen fündig. Glasziegel sollen wie Ziegelsteine in alter Handwerksmanier zu 50-Zentimeter-starken Wänden ringförmig hochgemauert werden. Sie haben laut den Untersuchungen durch Fachleute sowohl statisch als auch für die Dämmung günstige Eigenschaften.
Zumthors Turm verträgt in der Realisierung nicht allzu viele technische Eingriffe. Seinen Zauber erhält er durch möglichst unverfälschte Form, Oberfläche und Licht. Die massive Baumasse von geschätzten 5000 bis 6000 Tonnen strahlt dank der Transparenz Leichtigkeit aus.
In den drei Beinen des Turms kommen Treppe, Aufzug und Versorgungsleitungen unter. Dass sie schemenhaft von außen wahrgenommen werden, ist durchaus willkommen: "Das ist eine schöne Inszenierung, die davon spricht, was der Turm ist", sagt der Architekt.
Für Zumthor ist es wichtig, dass alle sein Tor erleben können. In der außen mit Stahlplatten belegten Kugel siedelt der Baumeister einen holzverkleideten, nierenförmigen Raum mit heb- und senkbarer Bühne für Veranstaltungen an. Unter der Kugel soll es ein Lokal geben.
Obwohl es für diesen Turm-Entwurf keine Vorbilder gibt, nannte der Architekt eine geschätzte Bausumme von 18 bis 20 Millionen Euro. Diese könne nicht aus dem städtischen Haushalt aufgebracht werden, betonte Bürgermeister Rainer Magenreuter. Er hofft auf Gönner und sprach bereits von Angeboten aus Isny und von auswärts.
Die meisten der geladenen Gäste waren beeindruckt von Zumthors Präsentation. Als Fürsprecher des Projekts meldete sich Rudolf Sagmeister, Kurator des Kunsthauses Bregenz (KUB), zu Wort: "Es ist vor allem auch ein Verdienst Peter Zumthors, dass unser Haus Weltgeltung erlangt hat." Als das Kunsthaus vor drei Jahren den Architekten mit einer eigenen Ausstellung ehrte, kamen 32000 Besucher aus aller Welt. "Wenn Sie mit Zumthor bauen, wird weltweit beobachtet werden, wie sich diese Stadt erneuert", so Sagmeister.