Blonhofen (avu). - Wenn Politiker nach ihrem Abtritt von der großen Bühne das Interesse an ihrer Person allzu sehr vermissen, dürfen sie sich vertrauensvoll an die Macher der Marktfestspiele Blonhofen wenden. So wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der als zigarrepaffender Gas-Lieferant auf dem Campingplatz am Hühnerbachsee aufkreuzt und seine Nachfolgerin im Amt bei der Erholung von der aufreibenden Koalitionsarbeit stört. Die Wirklichkeit in der Politik ist ja schon bizarr genug, aber im rappelvollen Stadltheater, wo am Wochenende Premiere gefeiert wurde, wird gerne nochmal draufgesattelt. Diesmal ist es der aufgestaute Hühnerbach, der solche Merkwürdigkeiten zutage fördert. Was Altbürgermeister Taufratshofer auf seinem Camp Fritz, dem Campingplatz, mit den Großkopferten erlebt, spielt sich irgendwo im weiten Feld zwischen Bauerntheater, Kabarett und Derblecken ab. Die Lokalpolitiker schwänzeln um ihre großen Vorbilder herum, Helmut Kohl lässt beim Tauchgang den Wasserspiegel steigen. Und Bayerns Landwirtschaftsminister Josef Miller kommt rhetorisch über Bauernregeln nicht hinaus. Die Überzeichnung der großen und kleinen Politstars in dieser Gag-Parade gelingt vorzüglich, ganz besonders bei einem: Was würde der echte Stoiber ohne sein unvergleichliches Double Wolfgang Krebs machen, der die Karikatur echter erscheinen lässt als das Original? Vielleicht würde er dann doch noch an die Spree wechseln. Dieses Trauma jedenfalls lebt der unechte (oder doch echte?) Stoiber auf den Stadltheaterbrettern voll aus. Worum es eigentlich geht beim Bühnenspiel? Schwer zu sagen. Aber das ist gar nicht so wichtig. Lustig ist es allemal, wenn die Baukontrolleurin der Kreisbehörde dem Zeltplatzchef und den Politikern die Leviten lesen will. Rund um Spielleiter, Conférencier, Schauspieler, Texter und Motor des Spektakels, 'Herr Schorsch' alias Georg Ried, hat sich bei den Marktfestspielen 2006 wieder fast das ganze Dorf formiert. Weit über 100 Akteure jeden Alters stehen auf der Bühne. Bereits die Smarties, die kleinsten Festspielteilnehmer, legen zu Anfang die Latte hoch, sie haben sich mit Mozart auseinander gesetzt und bezaubern mit ihren prächtigen Kostümen. Die Marktsänger befassen sich mit der Evolution der Musik und spannen den Bogen vom Neandertaler, der auf seiner gespannten Bärenhaut trommelt, über die Klassik, den Rock ’n’ Roll bis zum Rapper mit seiner wummernden Technomusik, die den Kreis zu schließen scheint: 'Bum, bum, bum, so klingt es laut, wie damals auf der Bärenhaut.' Helmut Breckle monologisiert über diesellose Traktoren, Fahrsilos und Einkaufserlebnisse in Kaufbeuren. Den Festspiel-Orden hält er diesmal für Arno Schneider für sein kulturelles Schaffen im Kaltental bereit.
Mann zeigt Bein Doch bei den Festspielen öffnet sich die kleine Bühne des Stadltheaters auch für die große Welt der Show, kräftig unterstützt von der Big-Band 'The White Eagles'. Die Tanzgruppe des FC Blonhofen holt New Yorks Glamour, Melodien und Tanz aus dem Musical '42nd Street' ins Allgäu. Das BFF-Hühnerbachballett zeigt Männerbein und erinnert mit einem ganz speziellen Aufwärmtraining an die Fußball-WM. Kurz vor Mitternacht bringen Herbert Groß und seine Gruppe 'Bombastic' und die 'Non-Cents' den Saal zum Kochen - die einen lassen die Marktfestspiele mit ihrem Tanzauftritt alles andere als betulich daherkommen, die anderen erteilen a-cappella Sprachunterricht und schrecken auch vor Michael Jacksons 'Billy Jean' nicht zurück. Es ist ja bekannt: Bei den Festspielen wird kaum ein Thema ausgespart. Vor dem Zubettgehen gibt es deshalb nochmal Nachrichten des 'Heute Journals' mit Sensatiönchen aus Blonhofen und einen Landtagsabgeordneten Franz Pschierer, der bei den Festspielen zwar schon in der Sauna schmorte, uns diesmal aber gaaaanz romantisch daherkommt: als Romy Schneiders Flamme. Blonhofen braucht den Broadway eben nicht zu fürchten. Und die Traumfabrik schon gar nichti Restkarten gibt es nur noch für die Vorstellungen am 15. und 19. November (Nachspieltermin), jeweils 20 Uhr. Reservierung bis Donnerstag täglich zwischen 17 und 19 Uhr unter Telefon (0 83 45) 200.