Oberallgäu/Kleinwalsertal (hcr). 'Kellerasseln' werden sie genannt, die Musiker der sechs Bands, die in drei Probekellern des Immenstädter Jugendhauses an Technik und Eigenkompositionen feilen. 'Die Bands geben sich seit zwei Jahren die Klinke in die Hand', sagt Stefan Erb vom Rainbow. 'Es gibt einen Riesenbedarf an Proberäumen.' Das gilt auch für den Rest des südlichen Oberallgäus, in dem sich nach einer kurzen Flaute wieder viele talentierte junge Bands formieren.
Ein paar Mal im Jahr krabbeln die 'Asseln' aus den unbeheizten Kellern. Beim 'Asselabend' oder dem 'Kontraste-Festival' zeigen die um die 20 Jahre alten Musiker, was sie drauf haben. 'Die Probekeller kosten nichts', erklärt Erb. 'Dafür bleiben die Konzert-Einnahmen beim Jugendhaus.' Und dort erleben die Zuhörer, dass die Musikstile der in Immenstadt probenden Bands querbeet durch alle Richtungen gehen.
Waren einst vor allem Punkbands angesagt, sind sie jetzt mit Senseless in der Minderheit. Elektronische Musik spielen Fräulein Synthestics bittet zum Diktat, die Flex Brothers bieten Blues-Country-Rock, und Fire Raw Movement setzen auf Reggae und Dancehall. Wie der Name vermuten lässt, beschäftigt sich das Illertaler Hardrock-Trio mit Hardrock. If Lucy fell begeistern mit durchdachtem Kunstrock, Bad Club besingen düstere Seiten des Daseins, und der Sound der Hindelanger Jungs von Taste of (y)our Life schmeckt nach Metall.
'Vom Straßenköterpunk bis zu Emo-Riffs', reicht die Palette laut Christina Brutscher, Organisatorin der Rocknacht in Bad Hindelang, auch bei den jungen Bands, die dort auftreten. Bevorzugen Verbal Revolt den Punk, so haben sich Narrow Skillz - aus Mangel an Proberäumen - der akustischen Musik verschrieben. Schließlich könne man überall Bongo und Akustikgitarre spielen. 'Die Oberallgäuer Szene schläft nicht', meint Brutscher. Es werden immer wieder neue Gruppen gegründet.
Keinen Proberaum gibt es im Sonthofer Jugendhaus Café Knall. 'Wir haben uns auf ein bis zwei Festivals pro Jahr für lokale Nachwuchsbands spezialisiert', erklärt Rabea Schwarz. An 'Sonthofen rocks' nehmen immer drei bis vier Bands teil - zuletzt waren das Avarice, Tryto und Gorilla Muffdiver. Die Festivals werden von Musikern und Publikum gut angenommen.
Seit zwei Jahren gibt es auch im Süden einen Band-Boom, berichtet Clemens Schilling vom Jugendhaus Bullwinkel. Nach der Vorherrschaft der elektronischen Musik gehe jetzt der 'Trend zum Instrument'. Schilling spricht von acht Bands in Oberstdorf und im Kleinwalsertal. Entspannt habe sich das Problem mit Proberäumen, seit Musiker in Eigenregie zwei Räume im Fahrradkeller des Gymnasiums eingerichtet haben. Dort proben Bands verschiedener Richtungen wie Synge (Grunge) oder Rivers Avenue (Surfersound).
Im Gegensatz zu den vielen Bands sind Auftrittsorte rar gesät. Neben den Jugendhäusern gibt es den Jugendtreff Käfer in Hirschegg, das Barfly (Sonthofen), das Schiff (Bihlerdorf), das Slide or Glide (Bad Oberdorf) und die Hörbar (Oberstdorf). Einfacher als vor zehn Jahren sei es, ein eigenes Album aufzunehmen. Wenn man - wie das Rainbow - einen Computer und ein solides Aufnahmeprogramm hat, gehe das relativ schnell.