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Anzapf-Kurs für die "Biergermeister"

Rettenberg / Oberallgäu

Anzapf-Kurs für die "Biergermeister"

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    Anzapf-Kurs für die "Biergermeister"
    Anzapf-Kurs für die "Biergermeister" Foto: charly hÖpfl

    Schade ums Bier, wenn beim Bockbieranstich der Bürgermeister den halben Saal ertränkt wie Reinhold Sontheimer 2006 in Schwangau oder Oliver Kunz voriges Jahr in Vorderburg. Schade ums Geschirr, wenn man wie Eberhard Jehle in Wertach im selben Jahr nicht nur die Dichtung durchhaut, sondern gleich auch noch den vom Nothelfer gereichten Krug zertrümmert. Schade um die vertane Zeit, wenn man wie Laurent Mies in Oberstdorf 2009 so viele Schläge braucht, dass das Publikum irgendwann aufhört, zu zählen und sich eben wieder über andere Dinge unterhält. Und schade ist es auch, wenn man wie Alois Ried in Ofterschwang 2008 zwar kein Bier vergeudet, aber den Hammer auf den eigenen Daumen schmettert. Immerhin: Die blutige Hand steckte Ried in den Hosensack, ohne eine Miene zu verziehen. Keiner hatte es gemerkt, und letztlich war nur die Hose hin. Trotzdem: Lehrbuchreif war auch das nicht.

    Ob Engelbräu-Chef Hermann Widenmayer nun um das vergeudete Bier leid war, ob er nach der Wertacher Erfahrung Krüge sparen wollte oder ob er nur einfach helfen mochte: Um die Bildungslücken der Bürgermeister rechtzeitig vor der Bockbierzeit zu schließen, lud der Rettenberger Bräu heuer zu einem Anzapf-Kurs ein. 14 Rathauschefs kamen, fünf weitere Angemeldete sagten kurzfristig ab: Wegen drängender Amtsgeschäfte, vermutete Widenmayer als guter Gastgeber - "eher aus Versagensangst", argwöhnte der Oberallgäuer Bürgermeistersprecher Toni Klotz. Bürgermeister sei nun mal "kein Ausbildungsberuf", stellte er ganz nüchtern fest. Und zu den vielfältigen Aufgaben, denen man sich als Ortsoberhaupt notfalls ohne jede Vorkenntnis tapfer zu stellen habe, gehöre eben auch das Anzapfen. Dem Rettenberger Bräu dankte Klotz im Namen aller "Biergermeister" für die hilfreiche Schulung.

    Russisch Roulette mit Bierfässern

    Der Brauereichef bot dabei ein alles andere als trockenes Trainingsprogramm und spielte "Russisch Roulette" mit den Rathauschefs: In den Übungsfässern war mit Kohlensäure aufgepepptes Wasser - der Druck sollte ja stimmen - nur in einem war Bier, das sich die Anzapfschüler ja erst einmal verdienen sollten. In welchem, wurde nicht verraten. Der Jungholzer Bernhard Eggel setzte dann als erster Hahn und Schlägel an das richtige Fass - und strotzte danach vor Selbstbewusstsein: "Der Tiroler hats gefunden!" Ausgerechnet.

    Betreut und beraten von den Braumeistern Hansjörg Zeller und Jörg Weinberger schlugen sich die übenden Bürgermeister wacker, wenn auch mit wechselndem Erfolg. Mancher war offenkundig als Naturtalent oder alter Hase in den Kurs gegangen wie Toni Klotz, Theo Haslach und Herbert Seger. Andere hatten zwar wie Edgar Rölz und Oliver Kunz nasse Schuhe von den ersten Trainingsrunden, gingen aber letztlich doch gewappnet für den entscheidenden Schlag in die Bockbierzeit.

    Und weil man immer noch hoffen kann, dass ein anderer noch schlechter zurechtkommt, trieben die Kursteilnehmer zuletzt die bis dato nur feixenden Journalisten an die Fässer. Die Redakteure schlugen sich freilich einwandfrei.

    Was den lampenfiebernden Rathauschefs einen letzten gedanklichen Fluchtweg vor den anstehenden Bockbieranstichen bot: "Die machens ja besser als wir", stellte Eggel neidlos fest und schlug vor: "Beim nächsten Mal zapft die Presse, und wir fotografieren." Soweit käms noch. Da bräuchte es ja erst einmal einen Fotokurs für Bürgermeister.

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