Unter Mitarbeitern der Bregenzer Festspiele gilt Intendant David Pountney als Besessener - im positiven Sinne. "Er hat mehr Ideen, als unser Budget hergibt", äußerte jemand mit hörbarer Bewunderung. Der Einfallsreichtum des Briten schlägt sich nicht nur im Programm nieder, das jährlich von Neuem Experimentelles, Originelles und viele Überraschungen bereit hält. Seine Kreativität war heuer auch bei zwei Produktionen zu erleben, die Pountney selbst inszenierte: die Hausoper "König Roger", bei der er mit überwältigenden Bildern, berauschenden Szenen und interpretatorischem Tiefgang die Besucher in Bann schlug, und die Operette "Paradies Moskau", deren Geschwindigkeit, Farbenreichtum und sprudelnder Witz eine Wonne waren.
Alle Produktionen dieses bisher umfangreichsten Programms - bis auf eine einzige - hat sich Pountney selbst angeschaut. "Ich bin ein leidenschaftlicher Festspielgänger", sagt er. Das kommt dem Festival zugute. Denn Pountney kennt sich aus in der Welt der Musik und Bühnenkunst. Mit großer Neugierde sucht er international nach außergewöhnlichen Künstlern, Projekten, Kompositionen - und zwar jenseits jedes Starkults. Glücksgriffe hat Pountney beispielsweise mit dem polnischen Chor Camerata Silesia getan und mit der englischen Opernbühne Opera North Leeds.
Erst recht ist die richtige Wahl entscheidend für die Lokomotive der Bregenzer Festspiele, das Spiel auf dem See. Dessen Erfolg beruht nicht zuletzt darauf, den richtigen Regisseur und den richtigen Bühnenbildner zu verpflichten. Nicht umsonst hat David Pountney erst nach einigen Jahren in Bregenz seinen Traum umgesetzt, die Wüstenoper Aida am Bodensee aufzuführen. Wer das langsame Wachsen der beiden blauen Füße im Bodensee beobachtete, mag sich schon mal gefragt haben: Ob das wohl gut geht? Aber Pountney ist nicht nur ein Besessener, er weiß auch, was er tut.
Manchem Verantwortlichen der Festspiele mag schwindlig werden bei dem ständigen Bemühen, von einem Jahr zum nächsten noch ein bisschen spektakulärer, noch ein bisschen ausgefallener, noch ein bisschen besser zu werden. Aber nur mit solch hohem Anspruch ist es zu erklären, dass das Festival in den Zeiten der Krise so gut läuft wie nie zuvor. Mit seiner Leidenschaft erfüllt Intendant Pountney diesen Anspruch. Und mit seiner Leidenschaft steckt er an: Festspiel-Mitarbeiter wie Festspiel-Gäste.
Kommentar
von Ingrid Grohe
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