Die Attacke erfolgte gegen 4.30 Uhr, erzählen die Lengenfelder. Unbekannte Täter hatten bereits eine Stalltür geöffnet. Gerade pirschte sich einer an den Bauwagen der Wachmannschaft, um dessen Tür zu verrammeln. Zu spät: Unter großem Geschrei stürmten die Männer aus dem Wagen und schlugen die Angreifer in die Flucht. Der Maibaum war gerettet.
Wilde Szenen spielen sich dieser Tage im Ostallgäu ab, kurz vor dem 1. Mai, wenn viele Dörfer feierlich ihren Maibaum aufrichten (siehe Infokasten). Denn derzeit arbeiten die Menschen nicht nur mit Hochdruck an der Fertigstellung ihrer stolzen Stämme, sondern schieben auch so manche Nachtschicht, um diese zu bewachen.
Helmut Holzheu hat eine lange Nacht hinter sich. "Ich habe nur drei Stunden geschlafen", berichtet er. Mit ein paar anderen Lengenfeldern hatte er sich auf die Lauer gelegt, doch nichts passierte, anders als in der Nacht zuvor, als das Stangerl in höchster Gefahr war. "Endlich ist was los", freut sich Sebastian Zindath. Immer nur Fernsehen und Kartenspielen war für die Wachen auf Dauer nicht sehr aufregend.
Erst am Sonntag stellen die Lengenfelder, die sich dieser Tage auch auf ihr 950-jähriges Dorfjubiläum am Wochenende vorbereiten, ihren Baum auf. Noch lagert der noch unfertige Baum in einem leeren Stall im Dorf, ein orangener Bauwagen steht daneben. "Das Klauen gehört einfach dazu", sagt Holzheu. Und drum sei man selbst schuld, wenn man seinen Baum nicht bewache.
Lengenfeld und Maibaum - vor rund 50 Jahren war diese Kombination konfliktträchtig. Die Lengenfelder hatten damals den Baum aus Oberostendorf gestohlen, doch anstatt diesen mit einer zünftigen Brotzeit wieder auszulösen, rückten die Burschen aus dem Nachbarort mit Schlagwaffen und Schießeisen an. Sie belagerten ein Gasthaus, und es ist überliefert, dass sie Gäste bedrohten und sogar schlugen - bis die Polizei dem brutalen Treiben ein Ende machte.
"Das hat damals für viel böses Blut gesorgt", erinnert sich Holzheu, damals noch ein Bub. Bis heute spreche man nicht gerne über den Vorfall, auch wenn die Täter heute längst im Rentenalter sind. Zwischen den Dörfern sei heute wieder alles in Ordnung, schließlich gehört Lengenfeld seit der Gebietsreform zu Oberostendorf. "Und innerhalb einer Gemeinde gehört es sich nicht, einen Maibaum zu stehlen", sagt Holzheu, nebenbei auch Zweiter Bürgermeister und dem Gemeindefrieden verpflichtet.
Doch wer waren die Banditen, die es heuer versuchten? Westendorfer, vermuteten die Lengenfelder zunächst, neuere Erkenntnisse verweisen auf Frankenhofen. Am schlechten Versteck lag es jedenfalls nicht, dass die Diebe kamen, ist sich Holzheu sicher. Denn das lasse sich ohnehin kaum geheimhalten. "Wir wissen ja auch, wo der Gutenberger Baum liegt."