Füssen (pas). - Traditionspflege in der Bundeswehr ist schwierig. Das erlebten einige Soldaten im Ruhestand, die sich der Geschichte der inzwischen fast vollkommen aufgelösten Artillerieverbände in der früheren Gebirgsdivision der Bundeswehr annahmen. Die gesammelten Ausstellungsstücke fanden nun ihren Platz im neuen Traditionsraum in der Füssener Allgäu-Kaserne. Oberstleutnant a. D. Gerhard Weigl aus Landsberg übernahm die vermeintlich einfache Aufgabe. Er sichtete und sammelte die Hinterlassenschaften des einst an seinem Wohnort stationierten Regimentsstabes und dessen Landsberger und Kemptener Verbände. Eine Heidenarbeit, wie er und seine Mitarbeiter erfahren mussten. Traditions-Erlasse und -Befehle, die mit dem Auflösungstempo der Bundeswehr nicht Schritt hielten, Auflösung von Verbänden die vorher erst zur Traditionspflege für bereits aufgelöst befohlen worden sind und Namensänderungen führten Weigl bei seiner Bestandsaufnahme über Ober- und Niederbayern bis in den Bayerischen Wald. Als Traditionspfleger waren Verbände bestimmt, die mit dem 'Artilleristen-Kram' nichts anzufangen wussten und ihn in Kellern lagerten. Als Weigl seine Sammlung wenigstens einigermaßen zusammen hatte, bot sich das Gebirgsartilleriebataillon 225 als inzwischen einziger noch bestehender Artillerieverband des ehemaligen Regimentes an, einen Traditionsraum einzurichten. Im zweiten Obergeschoss im Stabsgebäude der Allgäu-Kaserne wurde ein Raum eingerichtet, der nun bei einer kleinen Feier an die für die Ausstellung verantwortliche Artillerievereinigung Landsberg / Kempten übergeben wurde. Mit einem Blick auf die derzeit erneut angelaufenen Auflösungen von Standorten, hofft der Füssener Bataillonskommandeur Werner Christmann, dass diese Traditionspflege in der Allgäu-Kaserne recht lange durchgeführt werden kann.
Major a. D. Rainer Engert, der Vorsitzende der Artilleriekameradschaft Landsberg/Kempten, war stolz auf diesen Raum. Dieser sei ein Sinnbild für kriminalistische Fähigkeiten beim Auffinden der Ausstellungsstücke, dankte er Weigl. Darüber hinaus sei der Raum in seiner Ausgestaltung ästhetisch beispielhaft, machte er den Mitarbeitern der Standortverwaltung ein Kompliment. Der Vorsitzende der Artillerievereinigung Main-Tauber-Franken, Oberstleutnant a. D. Heinz Siepert, erfuhr von den Mühen seines Freundes Weigl bei der Beschaffung von Traditionsstücken. Er erinnerte sich daran, dass ein Verband des Gebirgsartillerieregiments einst in Tauberbischofsheim aufgestellt und später nach Landsberg verlegt worden ist. Als Gastgeschenk überreichte er Unterlagen. Oberst a. D. Helmut Troeltsch, der letzte Kommandeur des Gebirgsartillerieregiments vor dessen Auflösung, erinnerte an den Sinn von Traditionspflege. Tradition ist nicht Selbstzweck oder nur Rückschau, meinte er. Sie ist auch das Bewahren von Werten, die auf den christlichen Wurzeln unserer Kultur, der Überlieferung vorbildlichen Handelns und unserer demokratisch fundierten Rechtsauffassung gründen. Damit sei für ihn Traditionspflege auch das Handeln in die Zukunft.