Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche befasste sich das Kaufbeurer Jugendschöffengericht jetzt mit Vorfällen in einer Großfamilie aus dem Raum Marktoberdorf. Zwei Brüder, heute 37 und 38 Jahre alt, waren vor zwei Jahren von ihren jüngeren Schwestern wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt worden. Sie sollen als Jugendliche beziehungsweise als junge Erwachsene unabhängig voneinander die Mädchen dazu veranlasst haben, an ihnen sexuelle Handlungen vorzunehmen.
Das Verfahren gegen den 37-Jährigen endete, wie berichtet, vergangene Woche mit einer Einstellung gegen 500 Euro Geldauflage. Der heute 27-jährigen Schwester blieb somit eine Aussage vor Gericht erspart. Ein derartiger Weg zur Beendigung des Prozesses war jetzt im Fall des älteren Bruders nicht möglich, weil der Angeklagte zur Tatzeit noch Jugendlicher war, und das Jugendstrafrecht eine Verfahrenseinstellung nur im Fall eines Geständnisses vorsieht. Der 37-Jährige hatte seine Unschuld beteuert. Die Vorwürfe seiner heute 28-jährigen Schwester könne er sich allenfalls mit Hintergründen erklären, "die vielleicht psychisch sind".
Staatsanwalt und Gericht glaubten jedoch nicht ihm, sondern dem Opfer, das "ohne jeglichen Belastungseifer" ausgesagt habe. Die Nebenklage-Anwältin der jungen Frau verwies dabei auf einen besonderen Moment in der Aussage ihrer Mandantin, in dem sich die Zeugin direkt an den Angeklagten gewandt und gesagt hatte: "Ich weiß nicht, ob du dich erinnern kannst - aber mich macht das kaputt."
Zuvor hatte die junge Frau mit sichtlicher Erschütterung geschildert, wie sich ihr Bruder erstmals an ihr vergangen hatte, als sie etwa vier Jahre alt war. Weil der Angeklagte zur Tatzeit vermutlich selbst noch unter 14 Jahre alt und somit strafunmündig war, konnte in diesem Punkt keine Verurteilung erfolgen.
In einem Fall schuldig gesprochen: 1000 Euro Geldbuße
Bei einem weiteren Vorfall einige Jahre später kam es zu keinen sexuellen Handlungen, weil sich das Mädchen weigerte, sodass auch hierzu ein Freispruch erfolgte. In einem weiteren Fall, der zeitlich zwischen den beiden Geschehnissen lag, wurde der Angeklagte schuldig gesprochen und zu 1000 Euro Geldbuße zugunsten der Notrufstelle für Opfer sexueller Gewalt verurteilt.
Weil auf ihn Jugendrecht zur Anwendung kam, konnte die Tat lediglich mit einer Geldauflage geahndet werden. Wie der Vorsitzende im Urteil ausführte, hätte der Mann nur dann zu einer Jugendstrafe verurteilt werden können, wenn seine Neigung zu Straftaten bis heute andauern würde.
Davon könne aber bei dem Vater von zwei Kindern, der seither nie mehr mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist, nicht ausgegangen werden. Auch die Verhängung eines Arrestes sei nicht möglich, weil eine solche Maßnahme immer in zeitlicher Nähe zur Tat stehen müsse. (bbm)