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Allgäuer kam nicht als Junker in den Osten

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Allgäuer kam nicht als Junker in den Osten

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    Landwirt baut Gut seines Großvaters in Brandenburg auf. Von Ralf Lienert Missen/Friedersdorf Deutschland kurz vor der Wiedervereinigung vor zehn Jahren. Überall im Land herrscht Aufbruchstimmung. Davon angesteckt, fragt der Allgäuer Bio-Bauer Hans-Georg von der Marwitz aus Missen (Oberallgäu) auf der Hochzeitsreise in Italien seine Frau Dorothee, ob sie bereit sei, mit ihm in den Osten zu gehen. Die Ehefrau willigt ein und sie machen sich auf die schwierige Suche nach einem Betrieb, in dem sie biologischen Landbau und Direktvermarktung verbinden können.

    Nach mehr als 20 Stationen kehren sie allerdings resigniert ins Allgäu zurück: ungeklärte Eigentumsverhältnisse und die Treuhand erweisen sich als zu große Hürden. Auf Wunsch seines Vaters reist Marwitz noch einmal in den Osten, diesmal nach Friedersdorf/Brandenburg, zum Gut seiner Großeltern, welches von den Sowjets nach 1945 enteignet worden war. Von der LPG-Leitung wird er mit offenen Armen empfangen und soll gleich 2500 Hektar übernehmen. Doch das ist ihm zuviel. Der Allgäuer lädt erst einmal zu einer Dorfversammlung ein, macht allen klar, dass er nicht als Junker kommt, der sein Land zurück will. Kurz darauf zieht er mit einem Wohnwagen auf das heruntergekommene Anwesen.

    Zehn Jahre später: Marwitz wohnt mit seiner Familie mittlerweile in einem renovierten Torhaus. In der Zwischenzeit hat er 400 Hektar gekauft und weitere 420 von der Treuhand gepachtet. Der Betrieb floriert und mit seinen sechs Mitarbeitern baut der staatlich geprüfte Landwirt auf 820 Hektar Weizen, Gerste, Raps, Erbsen und Zuckerrüben an.

    Zu dem, was Marwitz von der liquidierten LPG Worin erworben hatte, gehörte übrigens auch eine Milchquote von 1,1 Millionen Liter. Das war 1990 bares Geld, doch der Stall musste für 140 Milchkühe ausgebaut und vier Melker eingestellt werden. Den Stall sperrte er 1998 zu, weil er sich als Lohnbetrieb nicht mehr rentierte. 'Milchproduktion gehört in Familienbetriebe', lautet sein Credo. Jetzt grasen nur noch die Pferde seiner vier Kinder auf einer Koppel. Doch der Viehstall soll nicht mehr lange leer stehen: 'Diesen Bereich möchte ich touristisch nutzen.'

    Der Allgäuer Nachfahre des alten preußischen Geschlechts hat sich in seiner neuen Heimat gut eingelebt. Der Parteilose wurde von der Bevölkerung in den Gemeinderat und Kreistag gewählt. Marwitz sprüht geradezu vor Ideen. Rund um das alte Speicherhaus mitten im Ort will er ein Freilichtmuseum aufziehen, in dem Besucher in die Landwirtschaft und Wirtschaft der 20er Jahre zurückversetzt werden. Familie Marwitz fährt immer wieder einmal ins Allgäu: 'Aber nach zehn Jahren sind wir endgültig in Brandenburg angekommen.'

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