Als 2007 der Flugbetrieb am Allgäu Airport in Memmingen aufgenommen wurde, standen vor allem klassische Urlaubsziele wie Mallorca, Kreta, Rom oder Antalya auf dem Programm. Daran änderte sich auch nichts, als 2009 die irische Billig-Airline Ryanair Verbindungen ab Memmingen anbot. Viele Ziele lagen in Süd- und Westeuropa.
In den vergangenen Jahren allerdings hat sich der Allgäuer Flughafen zu einem echten Drehkreuz für Osteuropa entwickelt. Die ungarische Billig-Linie Wizz Air bietet derzeit neun, ab September zehn Verbindungen gen Osten an. Ein Viertel aller Passagiere, die in Memmingen 2015 starteten und landeten, flogen mit Wizz Air.
Und Kundenerhebungen belegen: Viele von ihnen stammen aus dem Allgäu, Augsburg und Nordschwaben. Das Einzugsgebiet reicht aber noch deutlich weiter - bis Vorarlberg, Tirol, Oberbayern, den württembergischen Raum bis Stuttgart und sogar in die Schweiz bis Zürich.
Die Menschenschlange am späten Vormittag vor dem Flug W6 7306 nach Kiew ist lang. Für Anastasia Koretskykh, die ursprünglich aus der Nähe von Odessa stammt, seit über vier Jahren aber Medienwirtschaft in Stuttgart studiert, ist es selbstverständlich, dass sie ab Memmingen fliegt. 'Der Flug ab Stuttgart wäre doppelt so teuer', sagt sie. 'Außerdem gibt es von dort noch nicht einmal einen Direktflug nach Kiew - in Memmingen aber schon.' Ihr schwäbischer Freund Ludwig Rensch (27) freut sich schon. Er begleitet Anastasia. Und fliegt zum ersten Mal in die ukrainische Metropole.
Arbeit am Max-Planck-Institut
Unter den Wartenden befindet sich auch ein 39-jähriger Wissenschaftler aus der Ukraine. Er arbeitet als Astronom am Max-Planck-Institut in München, wo er auch wohnt. Obwohl er den Flughafen Erding ja quasi vor der Haustüre hat, fliegt er lieber ab Memmingen. Auch für ihn das schlagende Argument: die Direktverbindung von Wizz Air nach Kiew.
Zwei Männer aus der Ukraine waren nur ein paar Tage in den Alpen - zum Skifahren im italienischen Cortina d’Ampezzo. 'Von Memmingen aus geht ein Minibus direkt in den Skiort, das dauert zwar fünfeinhalb Stunden, dafür ist die Verbindung nach Deutschland und Italien für uns via Memmingen von den Kosten her sehr günstig', sagen der 59- und der 29-Jährige auf Englisch.
'Dass sich der Allgäu Airport einmal zu einem Schwerpunkt für Osteuropa entwickeln würde, hätte früher niemand vorhergesehen', sagt Marina Siladji, Sprecherin des Flughafens. Damals habe es für viele Osteuropäer noch nicht den freien Zugang nach Deutschland gegeben. Wizz Air habe seinerzeit eher verhalten mit Memmingen angefangen, dann durch Kundenanalysen aber herausgefunden, dass sich der Flughafen im Allgäu für die Fluglinie lohne.
Was die Zahlen auch belegen. '65 Prozent der Passagiere, die in Memmingen mit Wizz Air starten, fliegen von hier in Richtung Osten, sind also hier beheimatet', sagt Flughafen-Prokurist Marcel Schütz. 35 Prozent kommen aus Osteuropa hierher und fliegen nach ein paar Tagen wieder heim. Die Memminger Wizz Air-Kunden hat man auch genau analysiert: 50 Prozent nutzen einen Flug, um Freunde und Verwandte zu besuchen, 37 Prozent sind klassische Urlaubsreisende, elf Prozent Geschäftsleute und zwei Prozent pendeln, weil sie hier oder im Osten arbeiten.
Das Osteuropa-Geschäft wird jedenfalls weiter ausgebaut. Ab März fliegt die Linie Pobeda Moskau an, ab September hat Wizz Air Georgien im Angebot. Und die Passagierzahlen sollen weiter wachsen.