Man hört ihr gerne zu beim Lesen, lauscht der feinen Melodie ihrer Stimme und wird erfasst vom literarischen Sog. Da werden die Figuren in den Geschichten lebendig vor dem geistigen Auge: Alissa Walser kam im Rahmen des APC-Sommers zum ersten Mal für eine Lesung nach Kempten.
Die "musikalische Rezension" mit Klarinette, Tenor- und Sopransaxofon übernahm Florian Mayer aus Marktoberdorf mit verblüffend furiosen Interpretationen. Begeisterter Applaus ertönte aus dem vollen Zuschauerraum in den Kleinen Thermen. 'Geschichten verbreiten eine Art Urgedanken', las Alissa Walser aus ihrem Roman 'Am Anfang war die Nacht Musik'. Und da hieß es, dass eine Geschichte nicht unbedingt wahr sein müsse. Mit den Augen käme man der Wahrheit auch nicht viel näher als mit anderen Sinnen: 'Geschichten muss man hören wie Musik'.
Eingangs erklärte sie, zwei historische Figuren aus dem 18. Jahrhundert hätten sie zu diesem Roman inspiriert. Nämlich der in Wien praktizierende Arzt Franz Anton Mesmer (geboren als Förstersohn am Bodensee) und seine Patientin, die blinde Pianistin Maria Theresia Paradis.
Alissa Walser erzählt in sensibler, prägnanter und wortkarger, aber sehr bildhafter Sprache. Und es sind die leisen, melancholischen Töne aus dem Erzählband 'Immer ich', mit denen sie ihre Zuhörer bannte. Hier spielt die Handlung im Paris des 19. Jahrhunderts. Da geht es um die Malerei in einer angesehenen Künstlerfamilie mit drei Töchtern. Die Hauptakteurin plagt sich mit quälenden Selbstzweifeln, der Suche nach dem eigenen Weg, der Loslösung vom ewigen Vergleich mit dem Vater und der schmerzlichen Abnabelung vom Elternhaus. Da kommt man nicht umhin, im Werk der Tochter von Martin Walser autobiografische Züge zu erkennen