Einen außergewöhnlichen Weg haben Nervenärzte und Psychiater beschritten, um ihrem Ärger über FDP-Chef Guido Westerwelle Luft zu machen: Dr. Wilfried Mütterlein, Dr. Henrica Stalmann (beide Mindelheim), Dr. Monika Kerkhoff, Dr. Helmut Maimer und Dr. Bertram Ott (alle Memmingen) haben einen offenen Brief verfasst, den sie als Anzeige in der Memminger Zeitung veröffentlicht haben. Ihr Anliegen: Die Mediziner und Psychiater haben sich in der Debatte um angeblichen Sozialmissbrauch durch Hartz-IV-Empfänger deutlich auf die Seite der Schwächeren geschlagen. Adressat des Schreibens: der FDP-Chef und Bundesaußenminister.
"Lieber Herr Westerwelle!", heißt es eingangs nicht unfreundlich in dem Brief, und auch das Ende klingt mit einem "Herzlichst" sehr versöhnlich. Dazwischen geht es aber zur Sache. "Wir wünschen Ihnen, dass Sie niemals arbeitslos werden, mit über 50 Ihr Erspartes aufbrauchen müssen, sich noch dafür schämen und sich deshalb immer mehr aus der Gesellschaft zurückziehen, nach erfolglosen Bewerbungen schließlich an dieser Situation depressiv erkranken, so wie wir es bei vielen unserer Patienten erleben". Gegenüber der MZ nahm Dr. Henrica Stalmann Stellung zu der Aktion. Immer in wirtschaftlich schlechten Zeiten hätten es die Nervenärzte und Psychiater mit spürbar mehr Patienten zu tun. Wer nach 30, 35 Jahren Zugehörigkeit zu einer Firma plötzlich entlassen wird, "der wird um seine Lebensleistung betrogen", findet Stalmann.
Jemand, der so getroffen wird, für den gebe es oftmals keinen Ausweg. Trotz intensiver Suche sei es äußerst unwahrscheinlich, dass sich eine neue Arbeit ergibt.
Konflikte nehmen zu
Aber auch wer seinen Arbeitsplatz noch nicht verloren hat, jedoch damit rechnen muss, leide. Konflikte nähmen zu, sagt Stalmann. Diese Menschen suchten dann um Hilfe nach.
Es gebe natürlich immer Leute, die ein soziales Netz ausnutzten. Aber das sind nach der festen Überzeugung der Mediziner und Psychiater nur sehr wenige. "Dass Guido Westerwelle jetzt so pauschal alle Hartz-IV-Empfänger solchen Anwürfen aussetzt, widerstrebt mir", betont Stalmann. Ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen gehe es darum, mangelnden Respekt von der Politik einzufordern. "Diesen Respekt erwarte ich von der Politik den Bürgern gegenüber". Wer sich in einer Notlage befindet, habe es schon schwer genug.