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Ärzte empört über Klinik

Kempten

Ärzte empört über Klinik

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    Ärzte empört über Klinik
    Ärzte empört über Klinik Foto: Ralf Lienert

    Nach dem Freitod eines Arztes erhebt eine ganze Reihe von Medizinern schwere Vorwürfe gegen das Klinikum Kempten. Die Verwaltung hatte nach einem Vorfall bei einer ambulanten Operation einen Kooperationsvertrag mit dem Arzt fristlos gekündigt. In Rundbriefen aufgebrachter Mediziner ist von einer "abscheulichen Intrige" die Rede, in der ersten Aufregung wurde zum Boykott des Krankenhauses aufgerufen. Der frühere Ärztliche Direktor im Klinikum, Dr. Reinhold Mayer, hält die medizinischen Vorwürfe gegen den Arzt für "bei Weitem nicht ausreichend, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen", und meint: "Das gestörte Vertrauensverhältnis zum Krankenhaus ist nur zu beheben, wenn die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden."

    Michael Schuler, Geschäftsführer des Klinikums Kempten-Oberallgäu, äußerte sich auf Anfrage nicht zu den Gründen für die fristlose Kündigung, bedauerte aber "zutiefst" den Tod des Mediziners.

    Der Arzt war über Jahre als Anästesist niedergelassen. 2007 war er in Räume des Klinikums Kempten übergesiedelt und hatte sowohl für niedergelassene Ärzte als auch für Krankenhausmediziner bei ambulanten Operationen die Anästhesie (Narkose) durchgeführt. Auslöser für die fristlose Kündigung soll ein Vorfall bei der Operationsvorbereitung eines Kleinkindes gewesen sein. Bei dem Zwischenfall bekam das Kind angeblich Kreislaufprobleme. Dem Kind ging es danach allerdings wieder gut. Schuler wollte auch dazu nichts sagen, ob es weitere Vorwürfe gab.

    Obwohl es um medizinische Vorhaltungen gehen soll, ließ die Klinikleitung vor der fristlosen Kündigung den Vorfall nicht medizinisch begutachten. Dazu Schuler: "Die Entscheidung wurde nicht auf der Verwaltungsebene getroffen. Wir hatten einen juristischen Berater." Wurde nicht einmal der Ärztliche Direktor des Klinikums eingeschaltet? Schuler: "Wir haben uns juristisch beraten lassen. Es gibt immer mal einen Grund, dass wir sagen, wir müssen uns von jemand trennen, und wir holen nicht jedes Mal ein Gutachten ein, sondern verlassen uns auf den Rat des Juristen."

    Jetzt soll die Bayerische Landesärztekammer doch eine gutachtliche Stellungnahme abgeben. Der Geschäftsführer will diese als Grundlage nehmen, um mit den empörten Medizinern ins Gespräch zu kommen: "Wir wollen alle Fragen beantworten."

    Aufsichtsratsvorsitzender des Krankenhauses und damit Chef des Kontrollgremiums der Klinik ist der Kemptener Oberbürgermeister Dr. Ulrich Netzer. Er wollte sich auf Anfrage nicht zu den Geschehnissen äußern und verwies auf die Geschäftsleitung. Auf die Frage, ob er vor der fristlosen Kündigung eingebunden war, sagte Netzer: "Nein, ich wurde nur informiert." Auf die Frage, was nach dem Freitod des Arztes geschah, sagte Netzer: "Seitdem bin ich eingebunden."

    Der Arzt hatte nach der fristlosen Kündigung versucht, sich gegen diese zu wehren, und auch Mediziner der ärztlichen Standesvertretung eingeschaltet. Der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbandes, Dr. Thomas Lorentz, wollte auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben. Der Ehrenvorsitzende des Verbandes, Dr. Joachim Haas, sprach in seiner Trauerrede bei der Beerdigung von einer "Kampagne". Und weiter: "Intrigen, die wohl zum politischen Handwerkszeug, aber nicht zu seinem Lebensbild passten, war er nicht gewachsen." Andere Mediziner mutmaßen in Rundmails, dass "Konkurrenzdruck im Gesundheitswesen" Hintergrund der Kündigung gewesen sei.

    Monate nach der Kündigung bot das Klinikum dem Arzt plötzlich an, dass er doch weiter im Ambulanten Operationszentrum arbeiten könne. Allerdings nicht mehr für Klinikärzte, sondern nur noch für niedergelassene Mediziner. Geschäftsführer Schuler zu der Frage, warum das Klinikum jemand zunächst als medizinisch untragbar einschätze, ihm dann jedoch eine neue Kooperation anbiete: "Da ging es um eine gesichtswahrende Lösung." Zu einer neuen Zusammenarbeit kam es nicht mehr.

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