Es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben. Das Haus im Jengener Tulpenweg sieht noch so aus wie vor zehn Jahren. In der Nacht von 7. auf 8. September 2009 haben sich dort dramatische Szenen abgespielt. Ein Ägypter (damals 35 Jahre alt) brachte seine ein Jahr ältere Ehefrau um und floh am Tag danach mit der gemeinsamen fünfjährigen Tochter Anna* in sein Heimatland. Erst vier Wochen später entdeckte man die Leiche in der Sickergrube im Garten. Der Mann kam angeblich im März 2011 bei Gefängnisunruhen in Ägypten ums Leben. Anna hat seither niemand mehr gesehen. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen den Tatverdächtigen 2016 ein, weil keine neuen Erkenntnisse mehr zu erwarten waren. Aber zwei Männern geht der Fall – und vor allem das, was danach passiert beziehungsweise nicht passiert ist – nicht aus dem Kopf. Ernst Abröll (69) war damals der Sachbearbeiter bei der Kriminalpolizei Kaufbeuren, ging aber ein paar Monate später in Pension. Die weiteren Ermittlungen übernahm sein Kollege Bernhard Weinberger (56), der seit 2012 Chef der Buchloer Polizeiinspektion ist. Das Ostallgäuer Jengen liegt mitten in seinem Zuständigkeitsbereich. Der Mord war Abrölls letzter großer Fall. 42 Jahre war er bei der Polizei, 28 Jahre davon bei der Kripo in Kaufbeuren. Mord, Totschlag, Kapitalverbrechen – das sind alles Dinge, mit denen Kriminaler tagtäglich zu tun haben. Aber manche Fälle graben sich tiefer ins Gedächtnis ein als andere. Bei der Bluttat in Jengen hat das zwei Gründe: Es gab keinen Prozess und es war ein Kind betroffen, von dem seitdem jede Spur fehlt.
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