Es ist wieder ein Wilderer unterwegs, sagt man im Dorf. Und noch dazu einer, der sich lustig macht über die Jäger. Weil er dem erlegten Rothirsch den Kopf abschneidet und auf ein Brückengeländer pflanzt.
'Ob es tatsächlich Wilderei ist, ist noch nicht erwiesen', sagt dagegen Polizeisprecher Christian Eckel. Denn dafür müsste sich zunächst einmal der Revierinhaber melden und Klage erheben, dass ihm der Hirsch getötet wurde. Doch bisher hat das noch niemand - Doch bisher hat das noch niemand – obwohl die Polizei allen Jägern im südlichen Oberallgäu das grausige Bild gezeigt hat. (Anm. d. Red.: Wir haben diesen Absatz aktualisiert. In einer früheren Version des Textes stand fälschlicher Weise, die Polizei habe das Bild verschickt.)
Unter der Jägerschaft löst der Fall Kopfschütteln aus - und das nicht nur rund um Oberstdorf, wo sich der Wildfrevel ereignet hat. Dass es sich dabei um einen Wilderer als Täter handelt, steht für die meisten dabei außer Frage. Denn kein Jäger würde einem Hirsch den Kopf abschneiden und ihn so drapieren, wie es Anfang Juni an der Fußgängerbrücke über die Trettach in der Spielmannsau geschehen ist.
'Das ist eine eindeutige Provokation', sagt auch Heinrich Schwarz, Vorsitzender des Kreisjagdverbands Oberallgäu. Und es ist nicht der einzige Fall von Wilderei in der jüngsten Zeit. Einen Monat später, im Juli, wurden die Eingeweide eines ausgewachsenen Rothirschs gefunden, auf einem Parkplatz im Stillachtal. Vom Rest des Tieres keine Spur. Aber warum hat sich bisher keiner auf das Bild der Polizei gemeldet? 'Dabei handelt es sich um einen jungen Hirsch, dessen Geweih erst im Wachstum und noch nicht ausgeprägt ist', vermutet Schwarz, warum der betroffene Revierinhaber den Kopf nicht erkannt hat.
Auch wenn sich bisher kein Besitzer gemeldet hat, 'werden wir in der Sache ermitteln', erklärt Nadine Weick, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Kempten. Sollte sich in den nächsten Wochen aber weiterhin kein Geschädigter zu erkennen geben, 'müssen wir die Ermittlungen wieder einstellen'. Denn für ein Verfahren benötige die Staatsanwaltschaft laut Weick einen Strafantrag. Werde der nicht innerhalb von drei Monaten gestellt, wird der Fall zu den Akten gelegt.
Wilderei ist nicht immer so ungewöhnlich wie in diesem Fall: 'Oft wird sie aus Unwissen oder Panik nach einem Unfall begangen', weiß Polizeisprecher Eckel. Da ist die Frau, der nachts ein Fuchs vors Auto läuft, und sie legt das tote Tier in ihren Kofferraum und nimmt es mit. Oder der Spaziergänger, der im Wald das abgeworfene Geweih eines Hirsches findet und dies als 'Trophäe' nach Hause trägt. Beide begehen laut Gesetz Wilderei. Die Fallzahlen sind schwankend. Laut Eckel gab es im südlichen Oberallgäu im Jahr 2013 nur ein Ermittlungsverfahren. 2014 waren es sechs Fälle wegen Verdachts der Jagdwilderei - in einem davon schleppte ein Autofahrer das Wild nach einem Unfall mit zur Polizeidienststelle.
In diesem Jahr sind es jetzt schon sechs. Darunter ist - neben den beiden geschilderten Verdachtsfällen - der Streit um das geschossene Rotwild, das im Revier von Textilfabrikant Wolfgang Grupp gefunden wurde. Aber auch 'echte' Wilderer sind im Oberallgäu immer wieder unterwegs. So erinnert Verbandsvorsitzender Schwarz an die zwei Gämsen, die ebenfalls in Oberstdorf vor sechs Jahren geschossen wurden. Damals ließ der Täter nur das Fell der beiden Tiere zurück.