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70 Stunden Handarbeit für einen Schlitten

Pfronten

70 Stunden Handarbeit für einen Schlitten

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    Ulrich Gast aus Pfronten hat ein Hobby, das handwerkliches Geschick und die Freude an Tradition vereint: Er baut original Allgäuer Hörnerschlitten nach alter Handwerkskunst eines Wagners. "Es ist für mich etwas Besonderes, ein Handwerk auszuüben, das es eigentlich nicht mehr gibt." Seine Kinder profitieren allerdings nicht davon, wenn Gast nach mühevoller Arbeit einen fertigen Schlitten in den Händen hält. Die "Schalengge", wie Hörnerschlitten in Pfronten im Ostallgäu heißen, eignen sich nicht zum Rodeln für Kinder. "Es ist ein jahrhundertealtes Arbeitsgerät, das die Bauern früher in den Bergen eingesetzt haben", sagt Gast.

    Mit einer Länge von mehr als zwei Metern und den großen Kufen zum Greifen sieht der Hörnerschlitten wie ein überdimensionaler Rodel aus. Mit diesem hölzernen Gefährt ohne mechanische Steuer- oder Bremshilfen haben die Bauern früher im Winter Heu und Brennholz vom Berg ins Tal befördert. "Da war viel Kraft und Geschick gefordert, um die Schlitten zu beherrschen", sagt Gast. Bei dieser beschwerlichen Arbeit sei es häufig zu schweren Unfällen gekommen. "Verletzungen und Schlittenbrüche waren an der Tagesordnung."

    Heute ein Gaudi-Gefährt

    Auch heute noch kommen Hörnerschlitten in den Bergregionen zum Einsatz. Allerdings dienen sie nun nicht mehr den Bauern als Arbeitsgerät, sondern jungen Burschen als Gaudi-Gefährt bei halsbrecherischen Wettfahrten, sagt Gast. Während in Pfronten traditionell an Fasching das "Schalengge-Rennen" mit maskierten Fahrern stattfindet, beginnen im Oberallgäu bereits Anfang Januar die bei Einheimischen und Touristen beliebten "Hornerschlitten-Rennen".

    Wie Gast sagt, waren die Pfrontener die ersten, die im Allgäu die alten Schlitten aus der Scheune holten, um Rennen zu veranstalten. Das war Mitte der 1970-er Jahre. Es dauerte nicht lange, bis auch Gast mitfahren wollte - und zwar mit einem eigenen Schlitten. Da nur originalgetreu nachgebaute Schlitten zugelassen waren, musste er zuvor das Handwerk lernen.

    Ein damals über 80-jähriger Wagnermeister machte Gast mit der Kunst des Hörnerschlittenbaus vertraut. "Einen Herbst lang habe ich ihm in seiner Werkstatt zugeschaut, bis ich mir zutraute, meinen eigenen Schlitten zu bauen."

    Ulrich Gast will durch sein Hobby die alte Handwerkskunst am Leben erhalten. Etwa 70 Stunden braucht der 48-Jährige, um einen original Allgäuer Hörnerschlitten zu bauen. Jedes Detail entsteht in seiner Werkstatt, als gelernter Schmied macht er sogar die Eisenbeschläge selbst. Auch nach mehr als 20 Jahren ist Gast stolz darauf, wenn ein fertiges Exemplar seine Werkstatt verlässt. "Nicht nur die Optik ist originalgetreu. Das Wagnerhandwerk ermöglicht, dass nichts geleimt und geschraubt wird. Den Schlitten kann man jederzeit zerlegen, um ein Ersatzteil einzufügen.

    " Rund 30 Exemplare hat Gast bereits verkauft, eines davon wurde sogar nach Kanada exportiert.

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