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25 Jahre: Die Grünen sind immer noch da

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25 Jahre: Die Grünen sind immer noch da

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    Von Etienne le Maire Oberallgäu Die Grünen sind da. So titelte das Allgäuer Anzeigeblatt 1979 über einem Bericht zur Gründungsversammlung des Kreisverbandes der Alternativ-Partei in Oberstdorf. Nach einem Vierteljahrhundert sind sie immer noch da, mit 85 Mitgliedern im südlichen Oberallgäu landkreisweit sechs Kreisräten und 16 Gemeinderäten nicht schlecht vertreten. Geburtstag feiern die Grünen am 3. Dezember im Immenstädter Hofgarten-Foyer. Ab 20 Uhr spricht hier Landesvorsitzender Sepp Daxenberger bei einer öffentlichen Veranstaltung. Überall in Deutschland bildeten sich Ende der 70er Jahre Bürgerinitiativen zunächst eher bunt als grün: Fluglärm, Müllverbrennung, nukleare Zwischenlager beschäftigten die Menschen. Im Allgäu wars vor allem der Straßenbau, der Bürger auf die Straße brachte: A98, A7, B19 neu, damals östlich der Iller geplant. In diesen Aktionsbündnissen haben auch im Oberallgäu die Grünen ihre Wurzeln. Demonstrationen, Versammlungen, politisches Theater waren die Ausdrucksformen. Aber dann haben wir gesehen: Politiker interessiert nur der Wahltag, erinnert sich Kreisrat Heinz Möschel aus Waltenhofen: Wenn wir was bewegen wollten, mussten wir den Parteien also bei der Wahl Stimmen wegnehmen. Und das, sagt Möschel, ging ja nur auf einem Weg - als Partei. Leitfigur der Oberallgäuer Grünen in den frühen 80ern war der aus der CSU herübergewechselte Dr. Walter Molt, der wie viele längst andere Wege gegangen ist. Oberallgäuer schrieben auch überregional Grünen-Geschichte: Prominentestes Kind des Kreisverbands ist der Immenstädter Dieter Salomon, seit 2002 grüner Oberbürgermeister in Freiburg. Oder Karl Partsch aus Ofterschwang, der als Parteiloser für die Grünen ins Europaparlament einzog - und sie schwer enttäuschte, als er zur liberalen Fraktion überlief. Sprinkart, für die Oberallgäuer Grünen ein bisschen das, was Joschka Fischer für die Bundespartei ist, stieg erst 1984 nach einem längeren Päusle in die Politik ein. 1986 erstmals Landtagskandidat, rückte der lange Biobauer 1997 schließlich ins Parlament nach. 1998 und 2002 über die Liste wiedergewählt, erntete er zuletzt sogar stolze 15,5 Prozent bei der Direktkandidatur.

    Der Weg zu Ergebnissen, die die Schwarzen ärgern und den Roten Angst machen können, war lang. Das war schon bitterbös damals, erinnert sich Möschel an die ersten Jahre in der Kommunalpolitik. Noch 1990 hielt man es für notwendig, den Kreistag aufzufordern, unsere Anträge inhaltlich zu prüfen und nicht von vornherein abzulehnen. Sitzungenlang gnadenlos zu opponieren, ist unglaublich anstrengend, ist Sprinkart froh, dass diese Zeiten vorüber sind. Die anderen Parteien haben die Grünen längst akzeptiert, man geht normal miteinander um. Das sei auch eine Generationenfrage bei der staatstragenden Partei, meint Sprinkart. Doch auch die nun etablierten Grünen zahlen mit Kompromissen und Absprachen den Preis fürs Mitgestalten können. In 25 Jahren verzeichneten die Grünen einige Erfolge: Die A98 weggebracht, die B19 östlich der Iller verhindert sowie naturfressende Varianten der Immenstädter Umgehungsstraße. Meilensteine waren der Volkszählungsboykott 1987 mit einem Musterprozess in Sonthofen, Aktionen gegen die Ausweisung ausländischer Familien und 1994/95 das Volksbegehren Mehr Demokratie in Bayern. Niederlagen gabs ebenfalls: Die B19 vierspurig ist gelaufen, das Thema Beschneiung auch. Den Kampf haben wir verloren, nennt Kreisvorsitzende Hannelore Zetzmann zwei Beispiele. Wie sich der Handlungspielraum einer Partei verändert, sieht man am Widerstand gegen das Biomasse-Heizkraftwerk in Thanners: In den 80ern wären Grüne da an der Spitze gestanden. Heutzutage fördert ein grünes Umweltministerium solche Pläne. Und die Partei spricht von einem Modellprojekt am falschen Ort von Rettet das Allgäu wie früher ist da keine Rede. Ein heute differenziertes Verhältnis zu Bürgerinitiativen liegt freilich nicht nur an den Grünen: Früher ist man aus Überzeugung zu Demos von Lindau bis Füssen gefahren, sagt Sprinkart: Das Engagement war glaubwürdiger: Der Molt hat eben gegen die Seetrasse am Alpsee-Nordufer gekämpft obwohl sie ihm die Bundesstraße von der Haustür weggebracht hätte. Heute, sagt Sprinkart, engagieren sich häufig nur Betroffene. Bei den Grünen dagegen haben sich die Motive kaum geändert: Wenn Zetzmann heute sagt Wir sind auch verantwortlich dafür, was wir nicht tun, klingt das wie Möschels Motive von 1979: Ich wollte nicht, dass meine Kinder mir nachsagen, ich hätte nichts getan. Aber würden Grüne heute noch dramatisch Rettet das Allgäu auf ein Flugblatt schreiben? Nein, sagt Zetzmann. I scho, sagt Möschel. Die Meinungsvielfalt ist geblieben.

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