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1000 Pianos zu Geld gemacht

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1000 Pianos zu Geld gemacht

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    Kaufbeuren (avu). In Deutschland ist die Klassik zuhause. Doch innerhalb eines halben Jahres fast eintausend Klaviere zu verkaufen, ist auch im Land von Bach und Beethoven eine Meisterleistung. Nachdem die Betrugsmasche des geschäftsführenden Gesellschafters aus dem Kaufbeurer Musikhaus Kronenberg Music aufgeflogen und das Unternehmen in die Pleite gerutscht war, mussten diese eingelagerten Pianos veräußert werden, da immense Forderungen der Gläubiger bestehen. Angesichts der Marktlage eine schwierige Aufgabe, die schneller als erwartet gelöst wurde. 'Die Branche war skeptischer als wir', sagt Insolvenzverwalter Peter Hoffmann.

    Die edle Insolvenzmasse hatte es in sich. Der ehemalige Firmenchef lagerte die Musikinstrumente vor allem in seinem Ebenhofener Klavierlager Pianodrom, um sie zu vermieten oder zu verkaufen. Nach Unternehmensangaben handelte es sich bis zur Liquidation um die größte Pianoausstellung Deutschlands. Die Klaviere bildeten aber auch die Grundlage für einen groß angelegten Betrug des Geschäftsmannes, der mittlerweile verurteilt ist und seine Haftstrafe absitzt. Nach dem Prinzip des größten bundesdeutschen Wirtschaftsbetruges, dem Flowtex-Skandal, hatte er Lieferanten, Banken sowie 30 Leasing-Gesellschaften aufgrund von nichterfüllten Verträgen und Scheingeschäften geschädigt. Der Geschäftsmann schloss Verträge über 2991 Pianos ab, doch in diesem Verkaufszyklus waren nur 599 tatsächlich existent.

    Nach der Pleite mussten insgesamt rund 1000 Klaviere aus dem Unternehmensbestand sowie Blech- und Blasinstrumente so zügig wie möglich verwertet werden - ein auf dem bundesdeutschen Musikinstrumentenmarkt einmaliger Vorgang. Mittlerweile seien nur noch 35 Pianos übrig, so Insolvenzverwalter Peter Hoffmann. Dabei handelt es sich vorwiegend um Mietinstrumente, für die es noch laufende Verträge gibt. Auch diese Klaviere sollen in absehbarer Zeit von den Nutzern übernommen werden.

    Einen großen Teil hatte der Insolvenzverwalter fachgerecht bei einem Spediteur in Lichtenfels/Oberfranken einlagern lassen. Weitere Klaviere blieben im Ebenhofener Pianodrom, wo im Sommer vergangenen Jahres auch ein Insolvenzverkauf stattfand. Neben Einzelverkäufen sei ein großer Teil der Instrumente 'in zwei Paketen an zwei überregional agierende Händler' veräußert worden, so Hoffmann, der einräumt, dass sich der schnelle Verkaufserfolg nicht ohne Hilfe des Internets als Verkaufsplattform eingestellt hätte.

    Dabei gibt es eine weitere Kuriosität. Die Klaviere stammen aus renommierten Klaviermanufakturen in Deutschland. Aus rechtlichen Gründen dürfen die Händler in ihrem Internetangebot deren Namen aber nicht nennen. Diese juristische Fessel ist eine Folge des Betrugssystems, das der damalige Firmenchef praktizierte. Denn die Produkte der Manufakturen wurden unter der Marke Schiedmayer verkauft. So konnten die Hersteller hochwertige Instrumente zu günstigen Preisen auf dem Markt platzieren und in hohen Stückzahlen verkaufen, ohne die etablierten Preise ihrer eigenen Instrumente zu untergraben. 'Durch Seriennummern, Bauform und Prägungen lässt sich jedoch oft recht einfach auf den Originalhersteller und dessen Modell schließen', teilt ein Händler auf seiner Internetseite mit.

    'Eigene Gesetze'

    Insolvenzverwalter Peter Hoffmann räumt ein, dass es in der Branche zu Beginn der außergewöhnlichen Liquidation Bedenken gab. 'Das ging bis zu der Sorge, dass bei Herstellern nun Kurzarbeit angeordnet werden muss.' Die Befürchtungen, dass der Markt völlig überschwemmt werde, hätten sich jedoch zerschlagen. 'Ein solcher Insolvenzverkauf hat außerdem seine eigenen Gesetze', meint Hoffmann. 'Wir haben damit auch eine zusätzliche Nachfrage geschaffen, zum Beispiel bei Schnäppchenjägern und Unentschlossenen.'

    Der Erlös aus dem Klavierbestand beläuft sich auf rund 2,5 Millionen Euro, bei den Blech- und Blasinstrumenten war es etwa eine halbe Million Euro. Die Summen werden auf einem Treuhandkonto verwaltet. Das komplizierte Insolvenzverfahren geht derweil weiter. Im Mittelpunkt steht laut Hoffmann die Prüfung von Forderungen der diversen geschädigten Leasinggesellschaften. Sie haben sich für die Verteilung in einem 'Pool' zusammengeschlossen, der von einem 'Flowtex'-erfahrenen Rechtsanwalt geleitet wird.

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