Matthias Sommer ist ein großer Fan des FC Bayern München. Der 22-Jährige schaut sich jedes Spiel an – zu Hause am Fernseher. Gern wäre er mal im Stadion dabei, wenn die Elf um Franck Ribéry auf heimischem Rasen dem gegnerischen Tor entgegenstürmt. Er glaubt, dass das ein Traum bleibt. Ein solcher Ausflug wäre für ihn mit enormen Umständen verbunden. Der Oberallgäuer leidet an Fibrodysplasia Ossificans Progressiva, kurz FOP. Eine fehlerhafte Erbinformation ist schuld daran, dass die Muskeln und das Gewebe des 22-Jährigen verknöchern und sein Körper versteift. 'Langsam Matthias! – Ich weiß nicht, wie oft ich das gesagt habe', erzählt Petra Sommer. 'Jeder Sturz, jeder Schnitt, jede Spritze kann einen neuen Schub auslösen.' Auch bei kleinen Verletzungen entstehen bei FOP-Erkrankten entzündliche Schwellungen. Zum Teil verschwinden sie wieder. Zum Teil werden sie knöchern. 'Man will sein Kind in ein Glashaus setzen, damit ja nichts passiert,' sagt Petra Sommer. Aber am schlimmsten ist für die Mutter, zuschauen zu müssen und nichts tun zu können, während der Körper ihres Sohnes immer mehr versteift. Denn FOP ist nicht therapierbar. Zumindest noch nicht.
Matthias Sommer war ein Jahr alt, als die Diagnose gestellt wurde. 'Das war unser Glück', sagt seine Mutter. Viele Ärzte erkennen die Krankheit nicht und diagnostizieren falsch. Und vor der richtigen Diagnose weiß man noch nicht, dass jede Operation gefährlich ist. 'Einer Patientin in Amerika wurde der Arm abgenommen', berichtet Petra Sommer. Die Ärzte diagnostizierten Krebs: Das entzündete Gewebe ähnelt einem Tumor.
Vor über einem Jahr machte die Krankheit bei Matthias Sommer einen großen Schub. Damals arbeitete er bei der Gemeinde als Verwaltungsfachangestellter. Ihm die Lehre zu ermöglichen, war für die Familie ein 'riesiger Aufwand'. Dann der Arbeitsunfall: Matthias Sommer stürzte aus einem defekten Aufzug. Wegen der Versteifung im Hals konnte er nicht sehen, dass der Lift nicht ebenerdig angehalten hatte, und stürzte über die Schwelle.
Schon davor war seine Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt. Mittlerweile sind seine beiden Beine, Hals, Rücken und der linke Arm versteift. Er kann nur noch seinen rechten Arm bewegen und nur beschwerlich, gestützt auf einen Stock gehen. Er verbringt sehr viel Zeit am Computer, der es ihm ermöglicht, seine sozialen Kontakte zu pflegen. Seit Juli kann Matthias Sommer zumindest wieder ohne Krankenwagen zu seinen Therapie-Terminen transportiert werden: Die AOK Bayern und die Agentur für Arbeit ließen eigens für den 22-Jährigen einen Rollstuhl anfertigen. Mit dem Spezialbau kann der Waltenhofener sogar selber fahren. 'Das ist etwas ganz besonderes', sagt seine Mutter.
Petra Sommer kann nicht einfach nur zuschauen. Vor fast dreizehn Jahren gründete sie eine Selbsthilfegruppe, in der sich Betroffene und Angehörige austauschen können. 'Es ist schön zu wissen, dass man nicht alleine ist', sagt Matthias Sommer. Seine Mutter steckt viel Energie in den europaweiten Verein mit 106 Mitgliedern. Im November letzten Jahres hat Sozialministerin Christine Haderthauer der 54-Jährigen als Anerkennung dafür die Bayerische Staatsmedaille für soziale Verdienste überreicht. Sie freut sich über die Anerkennung, aber notwendig wäre sie nicht gewesen, sagt Petra Sommer. Für sie steht anderes im Vordergrund: 'Wenn ich erreiche, dass ein Patient aufgrund einer Fehldiagnose nicht operiert wird, dann habe ich schon viel erreicht.'

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Die Hoffnung bleibt
Dass Forscher doch irgendwann ein Mittel finden, womit man die Krankheit aufhalten kann, das ist Petra Sommers großer Wunsch. Da die Krankheit sehr selten ist – in Deutschland sind etwa 30 Betroffene bekannt, weltweit wird die Zahl der FOP-Patienten auf etwa 700 geschätzt –, fließen die Forschungsmittel nur spärlich. Petra Sommer hat Hoffnung: 'Man hat bei amerikanischen Kriegsverletzten einmalige Verknöcherungen festgestellt', sagt sie. 'Es heißt, dass das Militär viel Geld in deren Erforschung investiert.' Vielleicht profitieren auch die FOP-Patienten davon.