Allgäuer Berufsoffensive: Jugendliche in Kaufbeuren lernen die Arbeit in einem Pflegeheim kennen

6. Februar 2012 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
Mathias Wild

Schülerinnen in Seniorenkörpern

Die Allgäuer Berufsoffensive steht in diesem Jahr unter dem Motto 'Helfen lernen' und setzt sich zum Ziel, Jugendlichen Gesundheits- und Sozialberufe näherzubringen. Zahlreiche Schulen nehmen daran teil. In einem Koffer, den jeder Schüler erhält, befindet sich unter anderem ein Planspiel zum spielerischen Kennenlernen der Berufe. Informationen erhalten die Jugendlichen von Partnerbetrieben aus dem Gesundheits- und Sozialbereich. Die Berufsoffensive ist eine Aktion unserer Zeitung und weiterer Partner.

Kaufbeuren/Dietmannsried 'Den alten Menschen Ehre entgegenzubringen, das umfasst eine dreifache Verpflichtung ihnen gegenüber. Annahme, Beistand und Wertschätzung ihrer Eigenschaften.' Dies sagte einst Papst Johannes Paul II. Hautnah erleben durften das die Schülerinnen der Klasse 8 c der Marien-Realschule Kaufbeuren. Im Zuge der Berufsoffensive unserer Zeitung besuchten sie das Geschwister-Roth Seniorenzentrum in Dietmannsried bei Kempten. Auch die drei anderen achten Klassen der Schule werden noch im Seniorenzentrum gastieren, um den Beruf und die Ausbildung zur Pflegefachkraft kennenzulernen. Luisa und Laura müssen kämpfen. Das Laufen und Hinsetzen fällt ihnen schwer, sie haben Probleme, Essen zu sich zu nehmen. Der verflixte Knopf am Hemd lässt sich einfach nicht schließen.

Und was wurde gerade eben gesagt? Bei Luisa und Laura handelt es sich aber nicht um Bewohner des Seniorenheims, sie sind Schülerinnen der achten Klasse. Um den Mädchen die Einschränkungen älterer Menschen aufzuzeigen, wurden sie in einen Alterssimulationsanzug gesteckt. Sie tragen eine Brille, die die Sehkraft einschränkt, eine schwere Weste und eine Halskrause. Kopfhörer schränken die Hörkraft ein. Zudem wird durch sanfte Stromschläge das Zittern vieler älterer Menschen simuliert. 'Die Schülerinnen fühlen sich, als wären sie 80 oder 90 Jahre alt', sagt Wolfgang Kolenda, Leiter der Tagespflege.

Direkten Kontakt zum Beruf des Altenpflegers und zu den Heimbewohnern bekamen die Schülerinnen im Verlauf des Vormittags. So konnten sie sich in der Tagespflege unter die Bewohner mischen und deren tägliches Programm mit ihnen durchlaufen. Zu den Beschäftigungstherapien gehören gemeinsames Singen, Gedächtnistraining und Gymnastik. Dadurch ergab sich etwa eine bunt gemischte 'Sportgruppe' aus jungen Schülerinnen und pflegebedürftigen Menschen, die unter Anleitung von Kolenda einige Übungen absolvierte. 'Es war eine spannende Erfahrung, zu sehen, wie die älteren Menschen die Übungen machen', berichtet Alina. Für Laura war interessant, 'wie sich die Betreuer mit den Menschen in der Tagespflege beschäftigen'.

Zivis fehlen

Im theoretischen Teil des Besuchs berichteten Kolenda und Einrichtungsleiter Benjamin Käß den Mädchen der Marien-Realschule vom Ablauf der Ausbildung zur Pflegefachkraft. Ein Beruf mit Zukunft. 'Der Bedarf wird in Zukunft klar steigen', so Kolenda. Er selbst sei, wie auch Käß, über den Zivildienst zum Beruf gekommen. Eine Möglichkeit, die es heute nicht mehr gibt und das Heim vor Probleme stelle, bedauert Kolenda. 'Der Fahrdienst wurde früher von einem Zivi erledigt.' Heute benötige man dafür ehrenamtliche Mitarbeiter. Umso wichtiger sei es also, jungen Menschen den Beruf vorzustellen und schmackhaft zu machen. Für die Mädchen der Marien-Realschule wird sich dazu in der 9. Klasse eine weitere Gelegenheit bieten. 'Unsere Schülerinnen müssen jedes Jahr ein zweiwöchiges Praktikum im sozialen Bereich absolvieren', berichtet Schulleiter Rudolf Wisbauer.

Dann werden sie in Behinderteneinrichtungen, Kindergärten oder Seniorenheimen tätig sein.