Es ist eine schwierige Frage, auf die Kempten eine neue Antwort finden muss: Wo soll in der Stadt künftig Platz sein für Prostitution? Mitten im städtischen Leben, in der Innenstadt? Oder doch in Außenbereichen und Gewerbegebieten – was die Stadt in der Vergangenheit stets vermeiden wollte, um das Milieu nicht an den schwerer zu kontrollierenden Rand zu drängen. Wie berichtet, versucht eine Rotlichtfirma aus dem Raum Augsburg seit Monaten, in Kempten ein neues Freudenhaus zu eröffnen. Wie übrigens auch in Neu-Ulm, wo das Unternehmen mit einem Antrag für ein Großbordell abblitzte und nun vor Gericht zieht. In Kempten sieht man ähnlichen Klageandrohungen gelassen entgegen, sagt Baujuristin Dr. Franziska Renner. Denn für das Gewerbegebiet, für das die Rotlichtfirma – nachdem sie mit einem Antrag für ein größeres Bordell in der Hirnbeinstraße gescheitert war – einen Antrag vorgelegt hat, gelte ohnehin eine Veränderungssperre. Wo aber sollen sich Bordelle ansiedeln? Schließlich ist Kempten laut Regierung von Schwaben verpflichtet, Prostitution zuzulassen. ? Wie viel Platz muss Kempten überhaupt bereitstellen? Laut Regierung von Schwaben gibt es im Gesetz keine klaren Vorgaben, wie viele Flächen für die Prostitution gesperrt oder freigegeben werden können. Entscheidend sei die jeweilige Situation – Ausschlusskriterien sind Schulen, Spielplätze, Kirchen oder Bildungseinrichtungen. ? Die Szene bisher: 'Ruhig' und 'problemlos' – mit diesen Worten beschreibt Kripochef Albert Müller das Milieu. Einen 'Platzhirsch' oder Rotlichtchef gebe es glücklicherweise nicht – die zehn eher kleineren Bordelle gehörten jeweils eingesessenen Betreibern. Revierstreitigkeiten seien nicht zu spüren. Konkurrenzkampf im Milieu? ? Ausblick: Die Situation, so glaubt Müller, könnte sich durch neue Betreiber möglicherweise ändern. Zwischen 50 und 60 Prostituierte gibt es in Kempten – für die Hirnbeinstraße hatte die Firma aus dem Raum Augsburg zehn neue Bordellappartements beantragt. Da könne es zum Konkurrenzkampf im Milieu kommen, meint Müller. Das gehe vor allem zulasten der dort arbeitenden Frauen. Deren Bedingungen – zum Beispiel die Räume, in denen sie leben und arbeiten – sieht sich die Polizei bei Kontrollen genau an. Bislang sei das problemlos. ? Stadtmitte oder Rand? Darauf hat Kripochef Müller keine eindeutige Antwort. Er kann auch die Anwohner verstehen, die sich zum Beispiel rund um die Hirnbeinstraße durch die Freudenhäuser belästigt fühlen. Müller: 'Wir kontrollieren so oder so – wichtig ist uns, dass man zu klaren Regeln kommt.' ? Was ist mit den Anwohnern? Rotlichtbetriebe auf der einen und Anwohner auf der anderen Seite – das hat immer wieder zu Spannungen geführt. Zum Beispiel 2006 in einem Mietshaus in der Gutenbergstraße. Dort schloss die Stadt einen bordellartigen Betrieb, da im selben Haus ein Kind lebte. Und was ist mit Anwohnern, Eigentümern oder Firmen, in deren Umgebung künftig vielleicht Bordelle zulässig sind? Diese können, sagt die Regierung von Schwaben, vor Gericht ziehen – über eine Normenkontrollklage.
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