Stadtgeschichte
Nachtwächter-Führung durch Kaufbeuren: Von Sprichwörtern, Kaisern und Katastrophen

- Seit 16 Jahren führt Anton Heider bei Einbruch der Dämmerung Besucher durch die Kaufbeurer Altstadt.
- Foto: Julian Hartmann
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Mit einer Hellebarde bewaffnet führt Anton Heider seit 16 Jahren bei Einbruch der Dämmerung Besucher durch die Kaufbeurer Altstadt. Der 81-Jährige ist einer von drei Nachwächtern in Kaufbeuren. Neben seiner Waffe immer mit dabei: eine Lampe, ein Signalhorn und ein schwarzer Hut und Mantel.
Nachdem die Stadttore geschlossen waren, sorgten Nachtwächter im Mittelalter für Ruhe und Ordnung - auch in der damals noch freien Reichsstadt Kaufbeuren. "Er hatte damals dieselbe Funktion wie die Polizei", erzählt Heider. Heute erfüllen die Nachtwächter hingegen eine ganz andere Aufgabe: Sie bringen den Leuten die Vergangenheit näher.

- Seit 16 Jahren führt Anton Heider bei Einbruch der Dämmerung Besucher durch die Kaufbeurer Altstadt.
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Vom Rathaus bis zum Fünfknopfturm
In der Nähe des historischen Rathauses beginnt die Führung. Sie verläuft durch die Kaiser-Max-Straße, die an Kaiser Maximilian I. (1459-1519) erinnert, der während seiner Regierungszeit dreimal Kaufbeuren besuchte. Zu den Ratgebern und Vertrauten des Kaisers gehörte auch der gebürtige Kaufbeurer Kunz von Rosen.
Danach geht es über den Kirchplatz beziehungsweise alten Friedhof zum Crescentiakloster und schließlich hinauf zum Blasiusberg mit der Stadtmauer und dem Wahrzeichen der Stadt: dem Fünfknopfturm. Wegen Corona endet die Nachwächter-Führung derzeit vor dem Fünfknopfturm. Denn bei einer Besichtigung könnten die notwendigen Abstände nicht eingehalten werden, erklärt Heider. Zu allen Stationen weiß der 81-Jährige allerlei Interessantes über Brauchtum und Alltagsleben aus der Vergangenheit zu berichten.
"Steinreich" und "die Sau rauslassen"
Durch die Führung sollen "die Leute wieder etwas in die Vergangenheit zurückgeholt werden", meint Heider. Dabei zeigt der Nachtwächter auch auf, dass nicht nur Gebäude das Mittelalter überdauert haben. Viele Sprichwörter, "die man heute so leicht dahersagt", stammen nämlich aus dem Mittelalter. Immer wieder greift er sie auf und erklärt deren Herkunft. So auch bei der Redewendung "steinreich": Früher waren die meisten Häuser aus Holz, weil Steine sehr teuer waren, erklärt der Nachtwächter. Daher war derjenige "steinreich", der ein Haus aus Stein besaß.
Oder wussten Sie, woher der Ausdruck kommt: "die Sau rauslassen"? Hier die Erklärung: Im Mittelalter gab es noch keine Müllabfuhr. Daher warfen die Bewohner ihren Abfall einfach vor die Haustür. Laut Heider hat man dann, um dem Müll Herr zu werden, hin und wieder die Schweine oder eben die Sau rausgelassen. Die Tiere fraßen sich dann am Abfall satt.
Pest, Brand und Krieg
Immer wieder wurde Kaufbeuren von Katastrophen heimgesucht. So blieben beim großen Stadtbrand im 14. Jahrhundert nur sieben Häuser stehen. Etwa zwei Jahrhunderte später wütete mehrfach die Pest in der Stadt. Der Krankheit fielen rund zwei Drittel der Kaufbeurer Bevölkerung zum Opfer. Während des 30-jährigen Krieges wurde die Stadt außerdem geplündert. Zum Ende des Krieges 1648 lebten in Kaufbeuren nur noch 800 Einwohner.
"Hexentrunk" zur Reinigung der Seele
Mit dem Gedicht "O guldigs Kaufbeira" beendet Heider die Tour mit den Worten: "Kaufbeira soll lerbe, z'kaufbeira isch guat." Zum Schluss bekommt jeder noch einen "Hexentrunk" serviert, der laut Heider die Seele reinigen soll. Für seine Führung erntet Heider viel Applaus von den Besuchern.
Hier sind die Termine 2020:
- Donnerstag, 27. August 2020
- Mittwoch, 2. September 2020
- Donnerstag, 10. September 2020
- Dienstag, 6. Oktober 2020
- Mittwoch, 14. Oktober 2020
- Montag, 26. Oktober 2020
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