Eigentlich ein Sonntag, wie jeder andere: der 19. Mai 2019. Seit kurz nach 10 Uhr an diesem Sonntag ist in Rettenbach am Auerberg (Ostallgäu) nichts mehr, wie es davor war. Unvorstellbar: Ein Einfamilienhaus fliegt in die Luft. Eine verheerende Gasexplosion. Der 42-jährige Vater der Familie, die dort lebt, und die siebenjährige Tochter kommen bei der Katastrophe ums Leben. Sie waren sofort tot. Die damals 39-jährige Mutter überlebt mit schwersten Brandverletzungen. Die beiden Söhne waren nicht im Haus. Sie waren unterwegs, Spielen.
Nach der Katastrophe: Ein Dorf hält zusammen
Was dann folgte, war ein in seinen Grundfesten erschüttertes Dorf, aber auch eine beispiellose Hilfs-Aktion der Dorfgemeinschaft für die Familie. Rettenbachs Bürgermeister Reiner Friedl zeigte sich einige Tage nach der Explosion bereits von der großen Hilfsbereitschaft überwältigt, führte sie auf die „funktionierende Dorfgemeinschaft“ zurück. Friedl sagte damals: „Die Familie hat diese Hilfe auch bitternötig.“ Die Mutter kämpft sich mit den beiden Söhnen seit einem Jahr zurück ins Leben -mit Erfolg, wie die Allgäuer Zeitung berichtet.
Kein öffentliches Ausschlachten in Rettenbach
Auch jetzt, ein Jahr später, beschäftigt das Unglück den Ort. Bürgermeister Friedl bittet in einer schriftlichen Stellungnahme darum, auf Interviews zu verzichten, Rücksicht zu nehmen auf "unsere Bürger, welche Nachbarn, Freunde und Verwandte verloren haben und immer noch mit den Ereignissen zu kämpfen haben". Ein verständlicher Wunsch: kein öffentliches Ausschlachten der tiefsitzenden Emotionen.
Und Friedl hat recht. Unser Reporter Benjamin Liss hat aktuelle Fotos vor Ort gemacht und dabei Anwohner getroffen, die nicht darüber reden können und wollen. Er war selbst vor einem Jahr am Unglücksort, als Fotoreporter für die Berichterstattung aufall-in.de. Die Rückkehr ein Jahr später: für ihn der bisher bewegendste Moment als Reporter. "Das Gefühl ist beklemmend", beschreibt er den Moment, als er an der Stelle steht, wo alles in Trümmern lag, wo hunderte Helfer gearbeitet haben, wo kurz zuvor zwei Menschen gestorben sind. "Vor einem Jahr ist hier die Hölle ausgebrochen. Jetzt fühlt man einfach nur noch mit der Trauer der Familie und dem Entsetzen des ganzen Dorfes."Der Wecker steht auf "10"
Wo vorher ein Haus stand, erinnert kaum noch etwas an den schlimmen Tag vor einem Jahr. Nur noch ein Kreuz, Blumen, eine Kerze, Bilder des Mannes und der Tochter und ein Wecker erinnern an die Katastrophe. Es wächst Gras, vereinzelt wachsen bunte Blumen. Die Uhrzeit auf dem Wecker ist bei 10 Uhr stehen geblieben.