Bundesjugendorchester bestreitet seine 88. Arbeitsphase an der Bayerischen Musikakademie Marktoberdorf. Von Gerlinde Schubert Marktoberdorf BJO wird es kurz genannt, das Nationale Jugendorchester der Bundesrepublik Deutschland oder 'Bundesjugendorchester'. 95 Nachwuchsmusiker aus ganz Deutschland gehören ihm an. Immer in den Schulferien treffen sie sich zu gemeinsamen Arbeitsphasen. Erstmals sind sie an der Bayerischen Musikakademie in Marktoberdorf zu Gast, um ein Konzertprogramm einzustudieren, das sie in Stuttgart, Karlsruhe, Zürich, Wiesbaden, Dresden und Bremen geben werden. Eine öffentliche Generalprobe findet am heutigen Dienstag um 20 Uhr in der Musikakademie Marktoberdorf statt.
Als Talentschmiede wurde das BJO 1969 vom Deutschen Musikrat gegründet. Orchestermusiker waren rar, Förderung tat dringend Not. Inzwischen hat sich die Situation grundlegend verändert. Heute kann das BJO aus einem reichhaltigen Reservoir an Nachwuchsmusikern schöpfen. Es sind erfolgreiche Jugendliche aus dem Wettbewerb 'Jugend musiziert', die für das Orchester gewonnen werden. Geworben wird aber auch mit öffentlichen Ausschreibungen. Jeder aber, der zum Orchester will, muss sein Können beim Vorspielen unter Beweis stellen. An Bewerbern mangelt es nicht.
'Damit hat sich auch die Aufgabe des BJO gewandelt', sagt Geschäftsführer Hans Timm. Es bleibe zwar nach wie vor Talentschmiede, gebe jungen Musikern auch weiterhin Hilfestellung bei der Entscheidung Berufsmusiker zu werden oder nicht. Darüber hinaus sei aber auch Ziel, auf einer breiten Basis Musikinteresse und -verständnis im Laienbereich zu fördern. Immer bedeutender werde auch die gesellschaftspolitische Komponente. Dies komme insbesondere bei den Sonderprojekten zum Tragen.
So engagieren sich seit einigen Jahren die jungen Musiker besonders bei grenzüberschreitenden und zeitgeschichtlichen Veranstaltungen. So führte das BJO 1997 im ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt Verdis Requiem auf, 1998 wurde der 'Luftbrücke' gedacht mit Werken von Schubert, Hindemith und Beethoven. Ein Projekt in Kreisau/Polen steht heuer auf dem Plan. Bei Peter Ruzicka, dem Nachfolger August Everdings als Präsident der Bayerischen Theaterakademie, wurde ein Werk in Auftrag gegeben. Der Komponist kam jetzt selbst nach Marktoberdorf, um mit dem Orchester das Projekt zu besprechen.
Dirigenten-Lob
Dicht gedrängt ist das Programm in den acht Tagen der Arbeitsphase in der Musikakademie Marktoberdorf. Allein auf die Proben in Gruppen wurden drei Tage verwandt. Am Freitagabend dann die erste Gesamtprobe: 'Das macht ihr sehr gut', lobt Dirigent Thomas Hengelbrock beim ersten Durchspielen des 1. Satzes vo Berlioz\' 'Symphonie fantastique'. Dann geht es ans Eingemachte. 'Bitte ohne Punkte spielen. Nur die Bögen', fordert er. 'Es muss ein ganz milder Klang sein'. 'Nein, ich höre Rhythmus'. Immer wieder werden kurze Passagen wiederholt. Süß müssen die Geigen, bedrohlich die Bässe klingen.
Einstudiert wird auch Beethovens Ouvertüre 'Die Geschöpfe des Prometheus'. Ein Muss ist beim BJO ein Werk des 20. Jahrhunderts, wie Timm erklärt. Es ist diesmal ein 'Klavierkonzert' von Witold Lutoslawski (19131994).
Im Durchschnitt sind die Orchestermitglieder 17,9 Jahre alt und verbleiben zwei Jahre beim BJO. Ihre Begeisterungsfähigkeit kennt kaum Grenzen. 'Mir ist jede Stunde in diesem Orchester wertvoll', sagt ihr Vorstand Tim Witt und spricht dabei sicher für alle. Dies wird bei der Probe deutlich.
Um auch Gleichaltrigen ihre große Liebe zur Musik näher zu bringen, können Marktoberdorfer Schüler heute bei einer Probe am Vormittag dabei sein. Und nach der öffentlichen Generalprobe heute Abend geht es morgen auf große Konzertreise.